Viel Wissen – aber nicht alles ist richtig Ich beginne ganz fürsorglich: „Alexa, wie geht es Dir?“ Tags darauf starte ich einen ersten, ernsthaf- ten Versuch, mit meiner neuen Mitbewohne- rin ins Gespräch zu kommen: „Alexa, guten Morgen“, begrüße ich das kleine Plastikdös- chen auf meinem Schreibtisch und prompt tönt es: „Guten Morgen. Heute vor 131 Jahren stellte der deutsche Erfinder Emil Berlin in Washington das von ihm erfundene Grammo- phon und die Schallplatte vor. Die Erfindung revolutionierte die Art, Musik zu hören. Bis dahin gab es nur Live-Musik und plötzlich konnte man auch Musik Zuhause für sich abspielen. Für alle die sich jetzt wundern: Damals gab es noch kein Internet und damit auch kein Streaming!“ Aber hallo, junge Frau, was für einen Unsinn erzählst Du denn da? Erstens hieß der Erfinder Emile Berliner und zweitens hatte bereits im Jahr 1877, also zehn Jahre zuvor, Thomas Alva Edison seinen Phonographen präsentiert und patentieren lassen. Tonkonserven, auch musi- kalische, gab’s also schon. „Alexa“, klugscheiße ich, „das stimmt nicht, was Du erzählst.“ Die Antwort fällt lapidar aus: „Danke fürs Bescheid geben.“ Oh, bitte, gerne geschehen. Vielleicht lernst Du das ja noch. Alexa, so habe ich der Beschreibung entnom- men, wird über die Cloud automatisch aktua- lisiert, lernt ständig dazu und erhält neue Funktionen und Skills. Die Skills, also Fähigkei- ten, sind ein wesentlicher Teil des Systems. Man kann respektive muss sie einzeln aktivie- ren. Ihre Zahl wächst täglich. Im Januar 2017 gab es rund 500 deutschsprachige. Inzwischen dürften es einige hundert mehr sein. Für USA sind bereits über 3.000 veröffentlicht. Ohne spezielle Skills ist Alexa ziemlich einfallslos und auf wenige Routinen beschränkt. Die geprie- senen Fähigkeiten, Licht anschalten oder Raumtemperatur regeln, benötigen nicht nur spezielle Skills, sondern auch die passende Hardware. Und viele der Skills, die sich zwi- schen „Abfall kalender, „Entspannende Bam- busflöte“ und „Übersetzer“ tummeln, sind, wie ich nach etlichen Experimenten weiß, schlich- ter, oft reichlich pubertärer Schrott, den kein Mensch braucht. Noch gebe ich nicht auf und versuche mich mal mit ein paar simplen Dialogen. Im Inter- net gibt es dazu sogar Vorschläge. Die „Kon- versation“ lasse ich hier mal ungefiltert. Mag der geneigte Leser sein eigenes Urteil fällen. Alexa: „Forscher haben herausgefunden, dass es glücklich macht, wenn man ganz normale Dinge auf ungewöhnliche Weise tut – zum Beispiel Popcorn mit Stäbchen essen. Des- halb beantworte ich deine Frage ausnahms- weise mal ganz am Ende: Danke, mir geht es ausgezeichnet.“ Ich: „Alexa, was bedeutet ausgezeichnet?“ Alexa: „Ich bin mir leider nicht sicher.“ Ich: „Alexa, was ist der Sinn des Lebens?“ Alexa: „Die Antwort ist 42, aber die Frage ist komplizierter.“ Ich: „Alexa, sag mir mal was Nettes.“ Alexa: „Du hast eine Spitzenfrisur. Und die Haarfarbe erst! Absolut bombastisch.“ Jetzt reichts, veralbern kann ich mich alleine. Ich: „Alexa, du bist doof.“ Alexa: „Das ist aber nicht nett von dir.“ O.k. Das mit dem Reden klappt irgendwie nicht so recht. Da will ich doch mal sehen, was meine kleine Freundin sonst so draufhat. Wie las sich das doch gleich in der Werbung? „Ama- zon Echo Dot ist ein sprachgesteuertes Gerät, das mithilfe von Alexa Musik wiedergibt, Ihre Smart Home-Geräte steuert, Informationen bereitstellt, die Nachrichten liest, Wecker stellt und vieles mehr“, heißt es da. Smart-Home- Geräte steuern, das ist es doch. Wozu haben wir unlängst elektrische Roll läden mit Smart- Steuerung der Firma Somfy einbauen lassen? Per Smartphone klappt die Steuerung bereits prima. Aber nicht per Alexa. Eine Internet- Recherchestunde später ist klar, dass ich die „falsche“ Hardware habe. Conexoon statt TaHoma. Stammt zwar beides aus dem Hause Somfy, doch mit Conexoon kann sich Alexa nicht verständigen. Noch eine Pleite. Ich sinniere wie’s weitergehen könnte, irgend- etwas muss doch auch mich für Alexa begeis- tern. Im Hintergrund läuft derweil das Radio. Ich höre gar nicht richtig hin und merke des- halb nicht, dass da ein Amazon-Werbespot läuft. Doch meine Alexa spitzt die Ohren und als es aus dem Radio tönt: „Alexa, spiele meine Schmucklos: Echo Dot 2 Abwasch-Playlist“, antwortet meine kleine Freundin dienstbeflissen: „Hier ist eine Playlist, die Dir vielleicht gefällt.“ Dann beginnt sie mit…nein, nicht wirklich… doch: Andrea Berg!!!! Wie kommt sie denn drauf??? „Halt! Alexa, nein, stopp!” Alexa weiß viel – auch über mich Nach dem Schreck die Frage: Wie kommt Alexa eigentlich darauf, welche Musik ich mag – und warum irrt sie sich so gewaltig? Da fällt mir ein kluger Artikel ein, den ich unlängst in der Zeit gelesen habe. Die Journalistin Laura Cwiertnia beschreibt darin ein bemerkenswertes Experi- ment, das sie gemeinsam mit einem IT-Exper- ten gemacht hat. Sie haben herausgefunden und protokolliert, was Alexa mit den Daten anfängt, die sie von ihren Nutzern so einsam- melt. Das Ergebnis des Tests, er lässt sich hier natürlich nicht in Gänze wiedergeben, ist scho- ckierend. Die kommunikative, mitunter amü- sante Alexa entpuppt sich als hemmungslose Datenkrake. Aber, das ist das Erschreckende daran, keiner weiß genau, was sie eigentlich mit den gesammelten Informationen so anstellt und an wen sie ihre Kenntnisse weitergibt. Die Kolle gin kommt folglich zu dem Schluss: „Alexa zieht wieder aus, und zwar sofort.“ Recht hat sie – ich werde es ihr gleichtun. Morgen kommt ja auch meine tatsächlich und nicht künstlich intelligente Frau zurück. Welch ein Glück. Die Liaison mit Alexa, das war wohl ein ziem- liches Missverständnis. /// Motorjournalist Edition 2018 47