vdm-edition-2019

EDITORIAL Werner Bicker, Vorsitzender des VdM Keine Zukunft ohne Herkunft Liebe Leserinnen und Leser, werden wir auch in zehn Jahren noch Oldtimer auf unseren Straßen bewundern können? Oder passen sie nicht mehr ins Bild, wenn moderne, hochautomatisierte oder autonom fahrende Fahrzeuge die Straßen beherrschen? Ist der Oldtimer dann ein Sicherheitsrisiko? „Mit dem Oldtimer in die Zukunft?“ fragten wir auf unserem Kongress im Frühjahr im Rahmen unserer Jahrestagung. Einige der Antworten und noch vieles mehr finden Sie in dieser Ausgabe der Motorjournalist-Edition. Als vor gut 60 Jahren die Automobilindustrie begann, sich intensiv um Sicherheitsthemen zu kümmern, starben auf Deutschlands Straßen laut Statistischem Bundesamt 15 654 Menschen bei Verkehrsunfällen – bei einem Bestand von 10 554 228 Fahrzeugen. Ihren traurigen Höhepunkt erlebte die Unfallstatistik 1970 mit 21 332 Getöteten und 20 816 802 Fahrzeugen. Übrigens: Diese Entwicklung war seinerzeit auch die Initialzündung, den Deutschen Verkehrssicherheitsrat DVR ins Leben zu rufen. Heute, 50 Jahre später, sieht die Rechnung ganz anders aus: Im letzten Jahr kamen auf Deutschlands Straßen 3 275 Menschen ums Leben, bei 56 459 008 Fahrzeugen im Verkehr. Statistisch gesehen scheinen wir uns wohl auf einem Traumpfad nach unten zu bewegen: Rund siebenmal weniger Tote bei einer fünffach gestiegenen Verkehrsdichte könnten uns eigentlich beruhigt zurücklehnen lassen. Aber: 3 275 Unfalltote sind immer noch 3 275 zu viel. Dennoch zeigt diese Entwicklung, was Verkehrssicherheitsarbeit in den letzten Jahrzehnten bewirkt hat: Die Automobilindustrie macht ihre Hausaufgaben und die Bevölkerung wird sensibler, nicht zuletzt aufgrund der Arbeit des DVR und der Deutschen Verkehrswacht. Nach wie vor gilt aber: Unfälle passieren nicht, Unfälle werden gemacht. Und so ist es immer noch zu mehr als 90 Prozent der Mensch, der für Unfälle verantwortlich ist. Fahrfehler, wie zu hohes Tempo, falsches Abbiegen oder zu geringer Abstand sind, wie natürlich auch Alkohol, immer noch die häufigsten Faktoren, die zu Unfällen führen – wenngleich sich in den letzten 20 Jahren beispielsweise sowohl die Unfallhäufigkeit unter Alkohol als auch wegen zu schnellen Fahrens halbiert hat. Wir haben unsere Lektionen wohl doch teilweise gelernt… Dennoch: Ausruhen gilt nicht. Gemäß dem Motto des Philosophen Odo Marquard „Keine Zukunft ohne Herkunft“ haben wir die sicherheitstechnischen Entwicklungen der Vergangenheit unter die Lupe genommen und sie den zukünftigen Herausforderungen gegenübergestellt. Wie steht es um die Sicherheit der autonom fahrenden Autos? Wie werden wir den Gemischtverkehr, sprich, das Neben einander herkömmlicher und automatisierter Fahrzeuge, meistern? Und welchen Stellenwert wird der Oldtimer in dieser Gemengelage zukünftig innehaben? Mit dieser Ausgabe der Motorjournalist Edition 2019 wollen wir Ihnen dazu Informationen, aber auch Denkanstöße an die Hand geben. Viel Spaß bei der Lektüre. Mit besten Grüßen Werner Bicker werner.bicker@motorjournalist.de Motorjournalist Edition 2019 3

Inhalt Editorial /// 3 Sicherheit hat höchstes Entwicklungspotential /// 27 Fahrzeugentwickler, die der VdM mit dem Goldenen Dieselring ausgezeichnet hat, äußern sich zu den aktuellen Sicherheitsentwicklungen im Automobilbau. Vor aller Augen /// 8 Leben nicht verhandelbar /// 32 Der VdM-Kongress in Friedrichs- hafen fand erstmals öffentlich statt. Das Thema: „Mit dem Oldtimer in die Zukunft“. Seit 50 Jahren hat der Deutsche Verkehrssicherheitsrat mit seinen Aktionen viel zur Verkehrssicherheit beigetragen. FOTO: I. G. STROHBÜCKER Im Interview: Harald Barth, Produkt-Manager beim Autozulieferer Valeo /// 10 Auf dem VdM-Kongress stellte er die These auf, man könne von Oldtimern etwas für die Sicherheit lernen. Aber: „Hauptursache für Verkehrsunfälle ist der Mensch.“ Für Morgen gerüstet /// 14 Sicherheits-Helden /// 35 Seit über 100 Jahren machen sich Entwickler Gedanken darüber, wie man den Verkehr sicherer machen kann. Doch: Wer hat eigentlich was erfunden? Unbedeutender Faktor /// 38 FOTO: VALEO Der Nachdruck eines Portraits über den genialen Béla Barényi zu dessen 80. Geburtstag liest sich auch heute noch spannend. Mit Elektrifizierung und Automatisierung wappnet sich ZF Friedrichshafen für die Mobilität der nächsten Generation. Sicherer Traumwagen /// 39 Zur Pflege des Automobilsports /// 20 Vor 120 Jahren wird in in Berlin mit dem Deutschen Automobil-Club eine Vereinigung von Automobilisten gegründet – der heutige AvD. PR-Beitrag: Der neue Opel Corsa – Evolution eines Bestsellers /// 23 FOTO: ISTOCK Wenn der Oldtimer auf das autonom fahrende Auto trifft /// 24 Rechtliche Rahmen- bedingungen des automatisierten Fahrens und Perspektiven des künftigen Mischverkehrs. FOTO: ZDK Der hierzulande kaum bekannte Preston Thomas Tucker steht wie kaum ein Zweiter für die Verbesserung der Fahrzeugsicherheit. Die Entwicklung der Kfz-Berufe /// 41 Mit der technischen Entwicklung im Automobilbau haben sich auch die Ansprüche an die Kfz-Berufe gewandelt: vom Kfz-Mechaniker zum Kfz-Mechatroniker. Karosserie-Instandsetzung im Wandel der Zeit /// 44 Karosseriereparaturen am Oldtimer sind vergleichsweise simpel. Moderne Autos verlangen bei der Karosseriereparatur nach dem Spezialisten. 4 Motorjournalist Edition 2019

Oldtimer auf der Straße halten /// 48 IMPRESSUM Traditionspflege ist vielen Automobil- herstellern, aber auch Zulieferern wichtig. Sie zeigen ihre Autogeschichte in Museen und unterstützen die Oldtimer- Fans mit Ersatzteilen und Know-how. FOTO: MERCEDES Fahrerausbildung gestern – heute – morgen /// 50 Mit der Massenmotorisierung und der technischen Entwicklung hat sich auch die Fahrerausbildung kontinuierlich verändert. IAA – eine über 120-jährige Erfolgsgeschichte /// 52 1897 wurden der Öffentlichkeit in Berlin acht Motorwagen vorgestellt – die IAA war geboren. Nach wechselvoller Geschichte ist die IAA heute eine der wichtigsten Autoschauen. Mit dem Oldtimer sicher unterwegs /// 57 Heute selbstverständliche Sicherheitsausstattung fehlt in Young- und Oldtimern meist. Nachrüsten lässt sich Sicherheit nicht. Faszination Oldtimer /// 58 Oldtimer-Veranstaltungen sind Publikumsmagneten, so wie das Treffen an der historischen Rennstrecke Solitude bei Stuttgart. FOTO: DEKRA Ein Oldtimer für die Zukunft /// 60 Seit 1955 verleiht der VdM seinen renommierten Verkehrssicherheitspreis, den Goldenen VdM Dieselring, und hat damit nicht selten Sicherheits-Entwicklungen ausgezeichnet, die weit in die Zukunft reichen. Im Laufe der Zeit /// 64 Der Verband der Motorjournalisten hat sich seit seiner Gründung gewandelt. Doch die Idee bleibt: Einsatz für die Belange der Motorjournalisten. Im Seitenspiegel. Quergedachtes zur Zukunft der Oldtimer /// 67 FOTO: I. G. STROHBÜCKER Motorjournalist – Edition 2019 Herausgeber: Verband der Motorjournalisten e. V. Franz-Peter Strohbücker Geschäftsführender Vorsitzender VdM-Geschäftsstelle Am Sonnenweg 54 70619 Stuttgart Telefon: 0711 45998294 fps@motorjournalist.de Redaktion: Motorjournalist Chefredaktion Michael Sommer (so) Turmstraße 10 73728 Esslingen Telefon: 0711 3051521 Telefax: 0711 3051522 michael.sommer@motorjournalist.de Werner Bicker (bic) Eberhard Buhl (ebl) Franz-Peter-Strohbücker (fps) Weitere Mitarbeiter dieser Ausgabe: Karl Damschen, Gerhard Gumpoltsberger, Erwin Halentz, Wolfgang Lincke, Dieter Müller, Ronald Ritter, Ulrike Schmidt, Petra Schramek, Georg Stepani, Eberhard Strähle, Ian Georg Strohbücker, Aurel Voigt, Gottfried Weitbrecht Layout und Satz: Carolin Boos, Trialog Publishers Baiersbronn Druck: Wahl-Druck, Aalen Anzeigen: VdM Motorjournalist Michael Sommer Turmstraße 10 73728 Esslingen Telefon: 0711 3051521 Telefax: 0711 3051522 michael.sommer@motorjournalist.de Der VdM im Internet: www.motorjournalist.de Titel: In welche Zukunft die Oldtimer- Fans fahren werden, ist ungewiss. FOTO: EBERHARD STRÄHLE Motorjournalist Edition 2019 5

Die VdM-Kongresse haben eine lange Tradition. In Friedrichshafen fand die Veranstaltung erstmals öffentlich während einer Messe statt. FOTOS: IAN GEORG STROHBÜCKER Vor aller Augen Die Durchführung eines Fachkongresses anlässlich der Jahrestagung hat für den VdM eine lange Tradition. Doch so unterschiedlich die Themen im Laufe der Jahre auch waren, eines verband alle Veranstaltungen: Sie fanden hinter verschlossenen Türen statt und die gewonnen Erkenntnisse blieben weitgehend den Kongressteilneh- mern sprich VdM-Mitgliedern vorbehalten. Im Jahr 2017 hat sich in diesem Punkt einiges geändert: Die Ausführungen der verschiedenen Referenten dienen seither als Basis der Motorjournalist-Edition, des jewei- ligen Jahres, die immer zur IAA erscheint. Das heißt, die Edition spiegelt die Thematik des Kongresses wider. 2017 lautete das Motto: Roboter mit Moral – Die neuen Verkehrsteilnehmer? und beschäftigte sich mit den Pers- pektiven des Autonomen Fahrens. Im Jahr darauf gab’s die Veranstaltung mit dem Thema: Bringt KI uns weiter – Intelligente Mobilität für morgen. Beide Veranstaltungen fanden interessierte Zuhörer, und die entsprechenden Editionen 1 gingen weg wie warme Semmel. 1 Von den jeweiligen Editionen sind bei der VdM- Geschäftsstelle noch Restexemplare erhältlich. Zu bestellen unter: fps@vdm.de 8 Motorjournalist Edition 2019 Der Bürgermeister eröffnet den Kongress Soviel Zuspruch motivierte die Kongressorganisatoren im VdM-Vorstand und so gab es im Jahr 2019 erneut eine Pre- miere: Der VdM-Kongress öffnete sich fürs Publikum und lief allgemein zugänglich während einer Messe. Anfang Mai fand in Friedrichshafen die Motorworld Classics Bodensee statt. Die Messemanager fanden die Idee ganz reizvoll, ihren Event mit dem VdM-Kongress ein wenig aufzupeppen. Deshalb stellten sie großzügig dem Ver- band mitten in einer gutbesuchten Halle eine Aktions- bühne zur Verfügung. So konnte am ersten Messetag vor aller Augen der VdM-Kongress über die Bühne gehen. Selbst Dr. Stefan Köhler, Erster Bürgermeister der Stadt Friedrichshafen und quasi Hausherr, ließ sich von der Begeisterung anstecken und eröffnete den Rednerreigen persönlich mit einem Grußwort der Stadt. Die dreitägige Messe lockte insgesamt rund 38.000 Besu- cher an. Etliche davon nahmen die Gelegenheit wahr und lauschten einem oder gar mehreren Vorträgen des VdM- Kongresses, die mitten zwischen den ausgestellten Old- timern über die offene Bühne gingen. Dem historischen Umfeld angepasst: das Kongressmotto. Unter dem Slogan „Mit dem Oldtimer in die Zukunft – Wie sich alt und neu auf der Straße vertragen” referierten fünf Experten und schlugen eine Brücke von der Vergangen- heit über die Gegenwart bis in die Zukunft.

Harald Barth (Valeo), Stefan Köhler (BM Friedrichshafen), Gerhard Gumpoltsberger (ZF), Herbert Engelmohr (AvD), Dieter Müller (HS d. Sächsischen Polizei) v.l.n.r. Moderatorin Sarah Elßer im Gespräch mit dem „Vater der Motorwelt” Andreas Dünkel Das Experiment mit dem öffentlichen Kongress wurde allgemein als gelungen empfunden. Zitat eines Messe- besuchers, der hängengeblieben war: „Zuerst war mir nicht klar, was das hier soll. Aber der Vortrag war recht spannend und ich fahre meinen Oldtimer jetzt mit ganz anderem Bewusstsein.“ (Anm. d. Redaktion: Er war bei Dr. Müllers Referat dabei.) Mal sehen, ob das „Experiment“ im nächsten Jahr wieder- holt wird. /// fps ››› Dass wir von „Oldtimern etwas über Sicherheit lernen können“, erläuterte Harald Barth, Produktmanager bei Valeo, dem verdutzten Publikum. Seine steile These förderte überraschende Aspekte zutage und schuf einen Bezug von den Schnauferln der Vergan- genheit über heutige Fahrzeuge bis zu den Roboter- autos der Zukunft (Siehe Interview auf Seite 10). ››› Der Leiter Innovationsprojekte bei ZF Friedrichshafen, Dr. Gerhard Gumpoltsberger, dokumentierte mit seinem Beitrag, wie sich bei ZF unter dem Motto: „ Vernetzt, elektrisch, autonom – ZF und die Mobilität der Zukunft“ das Firmen-Selbstverständnis gewandelt hat (Seite 14). ››› Herbert Engelmohr von der Unternehmenskommu- nikation des AvD (Automobilclub von Deutschland) führte durch 120 Jahren AvD-Historie. Seit den Anfän- gen der Kraftfahrt muss der Club ständig auf der Höhe der Zeit sein und sich auch heute auf die Aufgaben von morgen vorbereiten (Seite 20). ››› Dieselring-Träger Dr. Dieter Müller, Professor an der Hochschule der Sächsischen Polizei in Rothenburg/ Oberlausitz , betrachtete aus juristischer Sicht die Pro- blematik, die sich uns allen wohl bald stellen wird: „Zwischen Oldtimer und hochautomatisiertem Fahren – rechtliche Perspektiven des Mischverkehrs“ hieß sein Vortrag, der auch deutlich machte, dass der Gesetzgeber noch eine Menge Arbeit vor sich hat, bevor wir wirklich autonom fahren können (Seite 24). ››› Der Vater der Motorworld, Andreas Dünkel, stellte sich im Live-Interview auf der VdM-Bühne den Fragen der Moderatorin Sarah Elßer und gab Einblicke in seine Vorstellung von der Entwicklung der Oldtimerszene. ››› Den Schlusspunkt setzte die von VdM-Vorstand An- dreas Keßler geleitete Talkrunde unter reger Publi- kumsbeteiligung. Motorjournalist Edition 2019 9

„Hauptursache für Verkehrsunfälle ist der Mensch.“ Auf dem VdM-Kongress stellte Harald Barth, Produkt- Manager beim Autozu- lieferer Valeo, die These auf, man könne von Oldtimern etwas für die Sicherheit lernen. Im Gespräch präzisierte er: Es geht vor allem um den Fahrer. Herr Barth: Sie behaupten, wir könnten von Oldtimern etwas über Sicherheit lernen. Ist das nicht angesichts der technologischen Fortschritte, die gerade in Sachen Verkehrssicherheit in den letzten Jahrzehnten gemacht wurden eine etwas überholte Betrachtung? Keineswegs. Natürlich ist in punkto Sicher- heitstechnik jedes moderne Auto einem Old- timer überlegen. Das fängt mit so banalen Dingen wie den besseren Bremsen an, geht über passive Sicherheitseinrichtungen wie den Gurt und reicht bis zu aktuellen Fahrer- assistenzsystemen. Also so gesehen ist der Lern effekt wirklich gering… …trotzdem bleiben Sie bei Ihrer These? Stimmt, doch bis automatisierte und selbstfah- rende Fahrzeuge den Verkehr bestimmen und sicherer machen, wird es noch einige Jahre dauern. Bis dahin bleibe ich dabei: Wir können von Oldtimern – oder sagen wir besser vom Fahren eines Oldtimers – etwas für unsere Sicherheit lernen. Denn es gelten für heutige Autos und ihre Fahrer dieselben physikalischen Gesetze und psychologischen Regeln wie einst. Wir müssen nur die richtigen Schlüsse ziehen. Ja, denn Verkehrssicherheit ist eben nicht nur eine Frage der Technik. In der Autoindustrie haben wir ein Ziel: die Null; will sagen null Emissionen und null Verkehrstote, am besten sogar null Verkehrsunfälle. Lassen wir das Thema Emissionen beiseite; es gehört nicht hierher. Aber um das zweite Ziel zu erreichen, müssen wir beim Hauptunfall- verursacher ansetzen. Das ist nun mal der Fahrer, also der Mensch. Er ist es, der die Feh- ler macht, die zu Unfällen führen. Das zeigen alle Statistiken eindeutig. Das ist ja auch nicht weiter verwunderlich, denn es fährt außer den Menschen – noch – niemand anderes. Mit autonomen Fahrzeugen soll sich ja gerade das verbessern. 10 Motorjournalist Edition 2019 Könnten Sie das bitte an einem Beispiel erklären? Wir haben ja gerade festgestellt, dass in den allermeisten Fällen der Mensch der Unfallver- ursacher ist. Dafür gibt es vier wesentliche Faktoren: Überforderung, Unterforderung, Fehleinschätzung und Überschätzung. Beginnen wir mit der Überforderung und neh- men dazu beispielhaft ein alltägliches Szena- rio: Sie fahren auf der Autobahn und plötzlich erkennen Sie, dass vor Ihnen ein Stau ist und alle Autos stehen. Dann gibt es drei Möglich- keiten: Erstens, Sie reagieren genau richtig und bremsen stark und hinreichend ab. Dann gibt es keinen Unfall. Oder zweitens: Sie über- reagieren und verreißen die Lenkung. Oder FOTOS: VALEO drittens, und das kommt leider gar nicht so selten vor: Sie reagieren zu wenig oder gar nicht. In den beiden letztgenannten Fällen kommt es zum Unfall. Ich nenne das die „akzeptierte Gefahr“, denn wir kennen sie und setzen uns ihr dennoch wissentlich aus. Das ist ja nichts Neues. Schon richtig, aber, um auf meine Eingangs- these zurückzukommen: Die sinnvollen Verhal- tensmuster, um dieser Gefahr Herr zu werden, sind dieselben wie beim Fahren von Oldtimern. Das heißt auch, wir könnten diese Gefahren reduzieren. Beispielsweise dadurch, dass wir trainieren, wie man diese Gefahren mindert. Sie meinen etwa durch sogenannte „Schleuderkurse“. Gilt das auch für die Unterforderung? Nicht ganz, denn das ist eher eine „unbe- wusste Gefahr“. Man fährt, glaubt alles im Griff zu haben, wird unaufmerksam, vielleicht sogar müde. Da helfen beispielsweise ein Beifahrer oder strikte Selbstdisziplin, die einen dazu bringen, Pausen zu machen. Das bedeutet auch, dass wir unter Umständen ganz bewusst Fortsetzung ››› unser Verhalten ändern.

Ford Focus Active Halle 8.0 - Stand A01 Fühlt sich gut an: Aktiv sein, den Moment genießen und immer das passende Auto fahren – der Ford Focus Active mit fünf individuell wählbaren Fahrmodi und moderner SUV-Optik6 Viel Spaß da draußen6 Ford Active-Wochen: 0 %-Finanzierung 1 5 Jahre Garantie 2 Kraftstoffverbrauch (in l/100 km nach § 2 Nrn6 5, 6, 6a Pkw-EnVKV in der jeweils gel- tenden Fassung): Ford Focus Active: 5,9 (innerorts), 4,1 (außerorts), 4,8 (kombiniert); CO2-Emissionen: 107 g/km (kombiniert)6 Beispielfoto eines Fahrzeugs der Baureihe. Die Ausstattungsmerkmale des abgebildeten Fahrzeugs sind nicht Bestandteil des Angebotes. 1 Ford Auswahl-Finanzierung, Angebot der Ford Bank GmbH, Josef-Lammerting-Allee 24–34, 50933 Köln. Gültig bei verbindlichen Kundenbestellungen und Darlehensverträgen. Das Angebot stellt das repräsentative Beispiel nach § 6a Preisangaben- verordnung dar. Ist der Darlehensnehmer Verbraucher, besteht ein Widerrufsrecht nach § 495 BGB. Gültig für Privatkunden beim Kauf eines noch nicht zugelassenen Ford KA+ Active, Ford Fiesta Active, Ford Focus Active, Ford EcoSport, Ford Kuga, Ford Edge Neufahrzeugs. Details bei allen teilnehmenden Ford Partnern. Zum Beispiel der Ford Focus Active, 1,0-l-EcoBoost-Benzinmotor, 92 kW (125 PS), 6-Gang-Schaltgetriebe, Start-Stopp-System, 6d-TEMP, auf Basis einer unverbindlichen Aktionspreisempfehlung der Ford-Werke GmbH bei allen teilnehmenden Ford Partnern von € 22.150,- zzgl. Zulassungs- und Überführungskosten, Laufzeit 48 Monate, Gesamtlauﬂ eistung 40.000 km, Anzahlung € 5.250,-, Nettodarlehensbetrag € 16.900,-, Sollzinssatz (fest) p. a. 0,00 %, eﬀ ektiver Jahreszins 0,00 %, Gesamtdarlehensbetrag € 16.900,-, 47 monatliche Raten je € 109,-, Restrate € 11.777,-. 2 Zwei Jahre Neuwagengarantie des Herstellers sowie Ford Protect Garantie- Schutzbrief (Neuwagenanschlussgarantie) inkl. Ford Assistance Mobilitätsgarantie für das 3.–5. Jahr, bis max. 50.000 km Gesamtlauﬂ eistung (Garantiegeber: Ford-Werke GmbH), kostenlos. Gültig für Privatkunden beim Kauf eines noch nicht zugelassenen Ford KA+ Active, Ford Fiesta Active, Ford Focus Active, Ford EcoSport, Ford Kuga, Ford Edge Neufahrzeugs nach Eingabe der Fahrgestellnummer in der FordPass App und Auswahl des bevorzugten Ford Partners. Sofern vorhanden, Aktivierung von FordPass Connect. Die Eingabe/Hinterlegung bzw. ggf. Aktivierung muss spätestens zwei Wochen nach Zulassung erfolgen. Es gelten die jeweils gültigen Garantiebedingungen.

hinwegsetzten zu können. Wir halten uns für hervorragende Autofahrer. Es gibt eine Studie, die besagt, dass 90 Prozent der deutschen Autofahrer meinen, dass sie besser fahren als der Durchschnitt. Realität und Statistik sprechen dagegen. Dann ist es also der Mensch, der das Ziel von „Vision Zero“, also null Verkehrsopfer und letztlich null Unfälle, durch sein Verhalten konterkariert. Bei neueren Autos kann auch der Fahrer durch die Technik besser gezügelt werden. Aber lässt sich das auch mit Oldtimern realisieren? Das ist ein interessanter Aspekt. Manche Assis- tenz- oder Sicherheitssysteme ließen sich tat- sächlich auch bei Oldtimern nachrüsten. Doch deren Besitzer neigen nicht eben dazu, Löcher in die Karossen zu bohren und Kabel zu ver- legen, um beispielsweise eine Kamera zu in stallieren. Umso mehr liegt die Sicherheit am Verhalten des Fahrers. Positiv dabei ist allerdings, dass Oldtimer-Fahrer in der Regel keine Raser sind, sondern entspannt, aufmerk- sam und fahrzeugschonend unterwegs sind. Insofern schließt sich der Kreis und wir kom- men wir auf das Thema „Null“ zurück: Ein Auto muss unfallfrei durchs Leben gehen, damit es ein Oldtimer werden kann. Herr Barth, wir danken für dieses Gespräch. /// Das Gespräch führte Georg Stepani Harald Barth ist als Produktmarketing Manager für den Bereich Fahrerassis- tenzsysteme beim Autozulieferer Valeo tätig. Barth kam 1998 als Dipl.- Wirtschaftsinge- nieur (FH) zu Valeo, wo er als Projektleiter die Verantwortung für Kundenprojekte im Bereich Ultraschall-Park- hilfe übernahm. Anfang 2008 wechselte er ins Produktmarketing und ist seit 2010 Manager für den Bereich Fahrerassistenz. Sein Motto lautet: „Enjoy Safe Driving“. FOTO: VALEO Wenns kracht, ist der menschliche Faktor entscheidend GRAFIKEN: VALEO Gleiches gilt auch für den dritten Punkt: die Fehleinschätzung. Obwohl wir wissen, dass wir als Menschen nicht perfekt sind, beispiels- weise einen Abstand oder eine Geschwindig- keit nicht immer richtig einzuschätzen wis- sen, setzen wir uns dieser Gefahr aus. Ich nenne sie die „ungewollte Gefahr“. Auch hier hat sich im Vergleich zu früher nichts geän- dert. Deshalb gilt auch hier, dass eine Rückbe- sinnung auf Präventionsmaßnahmen, die in der Vergangenheit geholfen haben, nach wie vor Gültigkeit haben. Natürlich gibt es inzwi- schen eine Vielzahl hervorragender Assis- tenzsysteme, die uns helfen, unser Verhalten der Situation besser anzupassen. Das geschieht ja nicht immer freiwillig. Manche Assistenzsysteme herrschen jetzt schon über den Fahrer. Und es werden immer mehr. Denken wir zum Beispiel an Alkohol-Zündschloss-Sperren. Kritiker sehen darin einen Konflikt zwischen der individuellen Freiheit und dem Ziel der absoluten Sicherheit. Bei einer solchen Abwägung fällt mir ein Zitat von Benjamin Franklin ein. Der sagte: „Wer grundlegende Freiheitsrechte aufgibt, 12 Motorjournalist Edition 2019 um nur etwas vorübergehende Sicherheit zu gewinnen, hat beides nicht verdient.“ Ich verstehe Franklin so, dass eine solche Abwä- gung nicht vorschnell, sondern sehr vorsich- tig und wohlüberlegt erfolgen sollte. Man kann es auch so sagen: Verkehrssicherheit erfordert immer Regeln, und Regeln haben immer auch ein begrenzendes Element für den Einzelnen. Bleibt die Überschätzung. Ist sie das größte Problem? Im Grundsatz eindeutig: ja. Denn es ist eine „ignorierte Gefahr“. Sie geht vom Fahrer selbst aus, der mitunter sogar vorsätzlich Regeln bricht. Er fährt zu schnell, fährt alko- holisiert, lässt sich vom Smartphone ablen- ken und so weiter. Es ist ein zutiefst mensch- liches Verhalten sich zu überschätzen. „Wieso Tempo 50 – ich habe die Straße doch im Blick?“ „Ach die drei Bier – es ist ja nicht weit.“ „Nur eben schnell die SMS lesen – das könnte wichtig sein.“ An Ausreden vor uns selbst herrscht kein Mangel. Doch bei etwas Selbstreflektion ist einem das Risiko zwar bewusst, aber man meint es im Griff zu haben und sich deshalb über die Vorgaben

DER NEUE GRANDLAND X HYBRID4. Unser erster SUV als Plug-in-Hybrid. Effizienz und Leistung im Einklang. Machen Sie sich bereit. Besuchen Sie uns auf der IAA! Halle 11/Stand D31 12.–22. 09. 2019 Abb. zeigt Sonderausstattung. Kraftstoffverbrauch* Opel Grandland X Hybrid4 kombiniert 1,6 l/100 km; CO2-Emission kombiniert 36 g/km. Effizienzklasse A+ * Die genannten Kraftstoffverbrauchs- und CO2-Emissionswerte sind vorläufig, wurden anhand der WLTP-Testverfahren bestimmt und in NEFZ-Werte rückgerechnet, um Vergleichbarkeit mit anderen Fahrzeugen zu gewährleisten (gemäß VO (EG) Nr. 715/2007, VO (EU) Nr. 2017/1151 und VO (EU) Nr. 2017/1153). EG-Typgenehmigung und Konformitätsbescheinigung liegen noch nicht vor. Abweichungen zwischen den Angaben und den offiziellen typgeprüften Werten sind möglich.

ZF Produktoffensive: Vier Innovationsträger stehen für Mobilitätslösungen von morgen bereit FOTOS: ZF Für Morgen gerüstet Mit Elektrifizierung und Automatisie- rung wappnet sich der traditionsreiche Hersteller ZF Friedrichshafen für die Mobilität der nächsten Generation. Kompakt vereint: Elektromotor mit 2-Gang-Antrieb Bei der E-Mobilität verfolgt das Unternehmen zwei Rich- tungen: Die Variante für Plug-in-Hybride des neuen 8-Gang-Automatgetriebes legt die Grundlage für eine neue Gattung batterieelektrischer Fahrzeuge. Dieses Hy bridsystem ermöglicht hohe, rein elektrische Fahrleis- tungen und stellt eine gleichberechtigte Alternative zu rein batterieelektrischen Fahrzeugen in bestimmten Anwendungsfällen dar. Entsprechende Akkukapazität vorausgesetzt, können Fahrzeughersteller damit einen „EVplus“ anbieten – einen batterieelektrischen Pkw, der für längere Strecken oder höheren Leistungsbedarf zusätzlich über einen Verbrennungsmotor verfügt. Parallel zum Hybridantrieb arbeitet ZF daran, rein elektri- sche Antriebsstränge zu verbessern. Ein wichtiger Schritt ist der elektrische 2-Gang-Antrieb für Pkw. Die kompakte Konzeptentwicklung vereint einen elektrischen Motor mit 140 Kilowatt (190 PS) maximaler Leistung, ein zweistufiges Getriebe und eine Leistungselektronik. Gegenüber einem einstufigen Antrieb kann er die Reichweite pro Batterie- ladung um bis zu fünf Prozent steigern. Der Technologiekonzern ZF arbeitet an Lösungen für die „Next Generation Mobility“. Mit einer Produktoffensive für Hybrid- und Elektrofahrzeuge, aktive Fahrwerke, integrierte Sicherheit und das automatisierte Fahren erweitert der Kon- zern sein Produktportfolio um weitere attraktive Lösungen für die Mobilität von morgen und übermorgen. Dass dabei die Mobilitätswünsche der Autofahrer in den Vordergrund rücken, verdeutlicht der Konzern mit der Initiative #Mobility- LifeBalance, die das aktuelle Ungleichgewicht von verspro- chener und erlebter Mobilität thematisiert. Die neue Generation des 8-Gang-Automatgetriebes ist von Anfang an konsequent auf Hybridisierung ausgelegt. Ein Baukastensystem ermöglicht es, Mild-, Voll- sowie Plug-in- Hybridantriebe mit Spitzenleistungen von 24 bis 160 Kilo- watt zu realisieren. Die Leistungselektronik ist nicht mehr als separate Einheit ausgeführt, sondern vollständig in das Getriebegehäuse integriert. Trotzdem wachsen die Außen- abmessungen des Getriebes nicht: Eine deutlich kleinere hydraulische Steuerung schafft den für die zusätzlichen Fortsetzung ››› Komponenten benötigten Bauraum. 14 Motorjournalist Edition 2019

ZF coPILOT: ADAS-System übernimmt diverse Fahrmanöver Auch im Jahr 2030 werden nach aktueller Einschätzung noch mindestens 70 Prozent aller Neuwagen einen Ver- brennungsmotor haben. Dessen CO2-Emissionen lassen sich jedoch durch einen Plug-in-Hybridantrieb deutlich senken. Voraussetzung dafür ist, dass die elektrische Reichweite sowie die elektrische Leistung ausreichen, um im Alltagsverkehr ausschließlich mit Batteriestrom zu fah- ren. Mit der Plug-in-Variante des neuen 8-Gang-Automat- getriebes legt ZF die Grundlage dafür: Der Elektromotor verfügt über eine maximale Leistung von 160 Kilowatt sowie eine Dauerleistung von 80 Kilowatt. Das maximale Drehmoment, das ohne Zuschalten des Verbrennungs- motors zu erreichen ist, beträgt 450 Newtonmeter und ermöglicht so zügiges Überholen auch im reinen E-Modus. Elektromotoren brauchen eine Leistungselektronik. Bis- lang wird diese Leistungselektronik bei allen Serien- Hybridgetrieben in einer separaten Box untergebracht. Mit der vierten Generation integriert ZF die komplette Elektronik erstmals in das Getriebegehäuse. Für die Autohersteller ist das ein großer Vorteil, weil die Mon- tage des Hybridantriebs nicht mehr wesentlich komple- xer ist als die eines konventionellen Getriebes. Hinzu kommt ein Sicherheitsvorteil, weil weniger Hochvolt- leitungen im Fahrzeug verlegt werden müssen. Benö- tigte die Hydrauliksteuerung in der aktuellen Generation des 8-Gang-Automatgetriebes noch ein Volumen von 3,1 Liter, so schrumpft es nun in der nächsten Generation auf 1,8 Liter. Das neue 8-Gang-Automatgetriebe ist für den Längsein- bau von Motor und Getriebe ausgelegt – einer Antriebs- konfiguration, die vor allem im Premiumsegment mit höchstem Komfortanspruch zukunftsfähig ist. Diesen Anspruch im Hybridbetrieb zu erfüllen, gelingt zum einen durch die solide mechanische Basis. Acht Gänge ermög- lichen eine Getriebespreizung von bis zu 8,6 mit geringen Gang- und damit Drehzahlsprüngen über einen weiten Geschwindigkeitsbereich. Zum anderen wurde der dreh- zahladaptive Tilger so optimiert, dass das Umschalten vom elektrischen in den verbrennungsmotorischen Betrieb für den Fahrer kaum zu spüren ist. Sein Alleinstellungsmerkmal, Fahrzeuge sehen, denken und handeln zu lassen, macht ZF auch zu einem Anbieter von Systemlösungen für das automatisierte Fahren. Die umfangreichen Komplettsysteme beinhalten Sensorik und den Zentralrechner „ZF-ProAI“ in mehreren Leis- tungsvarianten. Damit sind Lösungen für verschiedene Marktsegmente skalierbar, flexibel und adaptierbar. Das ermöglicht Pkw-Herstellern, den Basis anforderungen von Euro NCAP 2022 gerecht zu werden. Der neu entwickelte „ZF-coPILOT“ ist ein „Level 2+”-Sys- tem für mehr Fahrkomfort und Sicherheit im Pkw. Das System ist mit künstlicher Intelligenz, einem 360° Sensor- Set, dem leistungsstarken Zentralrechner „ProAI“ und der Fortsetzung ››› NVIDIA DRIVE Plattform ausgestattet Konsequent auf Hybrid antriebe ausgelegt: Neues 8-Gang- Automatgetriebe Neben den Plug-in-Hybriden, die mit hohen Spannun- gen von rund 300 Volt arbeiten, spielen im kommenden Jahrzehnt auch Mildhybride eine große Rolle. Sie arbei- ten mit einer Spannung von 48 Volt und erlauben signi- fikante CO2-Einsparungen, in dem sie als elektrische Bremse Strom generieren, der später wieder als Antriebs- energie genutzt werden kann. Zudem senken Mildhyb- ride die Schadstoffemissionen, in dem sie zusätzliche Leistung beim Anfahren und bei Beschleunigungsvor- gängen bereitstellen – in diesen Fahrzuständen emittie- ren konventionelle Verbrennungsmotoren kurzzeitig relativ viele Schadstoffe. Die elektrische Maschine erreicht eine Maximalleistung von bis zu 25 Kilowatt und kann so den Verbrennungsmotor in nahezu allen Betriebspunkten optimal unterstützen. 16 Motorjournalist Edition 2019

Autonome Fahrten intelligent teilen: Ride-Hailing auf der CES 2019 erstmals demonstriert und bietet dadurch Fahr- und Sicherheitsfunktionen, die deutlich über die Leistung eines regulären Level-2-Sys- tems für teilautomatisiertes Fahren hinausgehen. Der Funktionsumfang – und damit der Komfort- und Sicherheitsgewinn für Fahrer – wird am coPILOT-Demons- trationsfahrzeug deutlich: Das Fahrzeug beherrscht diverse Fahrmanöver eigenständig, etwa das Auffahren und Verlassen von Autobahnen. Für entspanntere Auto- bahnfahrten kombiniert der ZF coPILOT eine erweiterte Cruise Control mit aktiver Lenkunterstützung und Spur- haltefunktion. Zudem kann der coPILOT auch proaktiv die Spur wechseln, andere Fahrzeuge überholen und wieder einfädeln. Das System analysiert zudem permanent die Fahrzeugumgebung, erkennt etwa Fußgänger, entgegen- kommenden Verkehr und Kreuzungen. Außerdem ist der coPILOT mit Sensoren und Funktionen ausgestattet, die den Fahrer im Blick haben und Warnun- gen auslösen, sollten sich Sicherheitsrisiken ergeben. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Fahrer abge- lenkt ist, seine Blickrichtung sich zu weit vom Verkehrs- geschehen entfernt oder er Zeichen der Ermüdung zeigt. Neben einer intelligenten Routenführung inklu- sive „MyRoute“ – eine Kartenfunktion, die sich wieder- Dr. Gerhard Gumpoltsberger studierte Maschinenbau an der Universität Stuttgart. 1998 begann er seine Berufs laufbahn bei der ZF Friedrichshafen AG in der Zentralen Vorentwicklung. Parallel arbeitete er an seiner Promotion zum Thema Maschinelle Synthese von Mehrgang-Planetengetrieben, die er 2007 abschloss. Seit 2010 leitet er das Innovations management der ZF Friedrichshafen und seit 2013 verantwortet er zusätzlich den Aufbau der ZF Innovationsfahrzeuge. FOTO: ZF 18 Motorjournalist Edition 2019 holende Strecken intelligent erkennt – ist der coPILOT auch für Sprachsteuerung ausgelegt. Das Sensorset im Demonstrationsfahrzeug besteht aus einem Frontradar, vier Eck-Radaren und insgesamt acht Kameras. Zwei von ihnen sind nach vorn und eine nach hinten gerichtet, jeweils zwei Kameras sind in die Seiten- spiegel links und rechts integriert und eine überwacht den Fahrer. Um die Bilder- und Datenflut in Echtzeit aus- werten zu können, ist enorme Rechenleistung nötig. Das ist die Aufgabe des Zentralrechners „ZF-ProAI Gen2“, dem Herzstück des coPILOT: Mit einem leistungsstarken und energieeffizienten NVIDIA DRIVE Xavier Chip ausgestattet, kann die ProAI die vortrainierten Algorithmen für alle Fah- rerassistenzfunktion integrieren und ganzheitlich steuern. Mit einer Produktfamilie von vier Modellen deckt die ProAI alle automobilen Einsatzbereiche ab – von Level 0 bis Level 5. Das Spitzenmodell, die „ZF- ProAI RoboThink“, ist mit bis zu 600 Billionen Rechenschritten pro Sekunde (600 Tera-OPS) der leistungsstärkste KI-fähige Supercom- puter, den die Mobilitätsbranche derzeit zu bieten hat. Da hochautomatisiertes Fahren nach SAE-Level 3 in vielen Ländern noch nicht oder nicht durchgängig erlaubt ist, basiert der coPILOT auf teilautomatisiertem Fahren nach Level 2, das den Fahrer zwar zur permanenten Überwachung des Verkehrsumfelds verpflichtet, ihm aber dank der erwei- terten Level 2+ Technologien von ZF und NVIDIA einen zuverlässigen und komfortablen Assistenten zur Seite stellt, der ihn unterstützt 1 – einen echten „Copiloten“ eben. /// Gerhard Gumpoltsberger 1 Mehr Informationen unter www.mobilitylifebalance.com und unter dem Hashtag #MobilityLifeBalance in den sozialen Medien.

OUR BRANDS. OUR STORIES. BOXER IM HECK TRIFFT AUF BENZIN IM BLUT. Design by Michelotti, Technik by BMW. Der BMW 700 Sport war in den frühen 1960er-Jahren das perfekte Coupé, um im Motorsport die unteren Hubraumklassen aufzumischen und dabei auch noch gut auszusehen. Fast 50 Jahre später wurde ein BMW 700 Sport für Florian Engel aus Wunsiedel die Eintrittskarte in die Welt des historischen Motorsports. Ob beim Bergrennen am Roßfeld oder beim Flugplatzrennen in Kassel-Calden, Florian räumt mit seinem Zweizylinder-Boxer im Heck regelmäßig Pokale ab und konnte auch schon so manchen Klassensieg einfahren. Mehr dazu auf bmwgroup-classic.com/stories Classic

Vor exakt 120 Jahren greifen fortschrittliche Kreise rund um Victor Herzog von Ratibor die rasant wachsende automobile Begeisterung in Deutschland auf und gründen in Berlin mit dem Deutschen Automobil-Club eine Vereinigung von Automobilisten. Zur Pflege des Automobilsports Rückblende: Wie kaum eine andere technische Innova- tion hatte die Erfindung des Automobils die Mobilität und die Freiheit der Menschen revolutioniert. In den Jah- ren, nachdem Gottlieb Daimler und Carl Benz 1886 unab- hängig voneinander Fahrzeuge mit schnelllaufenden Verbrennungsmotoren zum Patent angemeldet und Berta Benz 1888 die erste Überlandfahrt von Mannheim nach Pforzheim unternommen hatte, erlebt das Auto weltweit einen bis dahin beispiellosen Siegeszug. Zu den führenden Nationen zählt Frankreich, das nicht nur über eine prosperierende Automobilwirtschaft verfügt, son- dern das auch mit viel beachteten Rennveranstaltungen die Bevölkerung für das Auto begeistert. Mit Begeisterung und Tatendrang ins neue Jahrhundert Der neu gegründete Deutsche Automobil-Club (DAC) erkennt den Handlungsbedarf in der Heimat und schreibt FOTOS: AVD Gründung des AvD als Deutscher AutomobilClub (DAC) am 10. Juli 1899 in Berlin, Gründungspräsident wird Victor Herzog von Ratibor. 1904 Übernahme der Schirmherrschaft durch Kaiser Wilhelm II. über den DAC (heute AvD), der sich ab diesem Zeitpunkt Kaiserlicher Automobil-Club (K.A.C.) nennen darf 20 Motorjournalist Edition 2019 die „Pflege des Automobilsports“ als Vereinszweck in seiner Satzung fest. Bereits im Jahr 1900 veranstaltet er das erste Bahnrennen nahe Frankfurt am Main. 1904 beteiligt sich der DAC nicht nur an der Ausrichtung der Internationalen Auto- mobil-Ausstellung (IAA), sondern fungiert auch als Veran- stalter des erstmals auf deutschem Boden ausgetragenen Gordon-Bennet-Rennens – Austragungsort ist Bad Hom- burg vor der Höhe – das als „Nationenpreis“ über hundert- tausend Zuschauer aus dem In- und Ausland sowie die gesamte internationale Presse begeistert. Im Anschluss an das Rennen kommen auf Initiative des DAC am 20. Juni die Vertreter der anwesenden internationalen Automobil-Clubs zusammen. Auf Anregung des DAC Präsidenten Herzog von Ratibor, der die Zusammenkunft als Vorsitzender leitet, wird die Gründung der Association Internationale des Auto- mobile Clubs Reconnus (AIACR) beschlossen, die als weltum- fassende Organisation die Förderung des Automobilsports und des neuen Verkehrsmittels Auto zum Ziel hat. Aus der AIACR wird im Jahr 1946 der Automobilweltverband FIA (Fédération Internationale de l’Automobile) hervorgehen. Vom vielschichtigen Engagement zeigt sich nun auch der zunächst skeptische Kaiser Wilhelm II. angetan und über- nimmt die ihm angetragene Schirmherrschaft über den DAC. Der darf sich fortan Kaiserlicher Automobil-Club (K.A.C.) nennen. Der eigentliche „Petrolhead“ in der Kaiserfamilie ist aller- dings Wilhelms jüngerer Bruder Heinrich, der auch als Erfinder des Scheibenwischers Auto-Geschichte schreibt. Zu seinen Ehren richtet der K.A.C. von 1907 bis 1911 das erste mehrtägige Langstrecken-Rennen unter der Bezeichnung „Prinz-Heinrich-Fahrt“ aus, bei dem die teil- nehmenden Tourenwagen in mehreren Etappen eine Gesamtstrecke von rund 2000 Kilometern quer durch das Reichsgebiet zurückzulegen haben. Kfz-Versicherung – eine Erfindung des K.A.C. Als 1918 bereits das Ende des 1. Weltkriegs erkennbar ist, denkt man beim K.A.C. bereits an die automobile Zukunft. Denn es zeichnet sich deutlich ab, dass die 1913 von Henry

Prinz Heinrich von Preußen ist großer Förderer des K.A.C., zu dessen Ehren die Prinz Heinrich-Fahrten stattfinden. (Man beachte die beiden Plaketten am Fahrzeug: vom Betrachter aus links: K.A.C., rechts: DAC) Wiedergründung des AvD im Kurhaus Königstein (Villa Borgnis) am 6. November 1948; erster Präsident des AvD nach der Wiedergründung wird Prof. Dr. Karl Geiler, erster Ministerpräsident von Hessen (16. Oktober 1945 bis 20. Dezember 1946) Ford eingeführte Fließbandproduktion auch in den europäi- schen Autofabriken Einzug halten wird und die so deutlich günstiger produzierbaren Fahrzeuge für eine neue, breitere Schicht der Gesellschaft erschwinglich werden. Um die stei- gende Zahl der Autofahrer gegen die Risiken des in den Großstädten immer dichteren Straßenverkehrs abzusichern, gründet der K.A.C. zusammen mit der Allianz die Versiche- rung „Kraft“ als erste Kfz-Versicherung Deutschlands. gungsort des ersten Großen Preises von Deutschland, den der AvD 1926 veranstaltet. Den Premierensieg erringt ein gewisser Rudolf Caracciola aus dem verwunschenen Remagen am Rhein, gemeinsam mit Beifahrer Wilhelm Sebastian auf Mercedes-Benz. Im darauf folgenden Jahr verlegt der AvD den Großen Preis von Deutschland auf den wenige Tage zuvor eingeweihten Nürburgring, wo das Rennen bis Ende der 1950er Jahre ausgetragen wird. Wenige Wochen später endet nicht nur der Krieg, sondern mit der Abdankung Wilhelms II. auch die Monarchie in Deutschland. Aus dem K.A.C. wird der Automobilclub von Deutschland. Der Große Preis von Deutschland Im Jahr 1921 wird am südwestlichen Rande Berlins die AVUS (Automobil- Versuchs- und Übungsstraße) eröffnet, deren Bau maßgeblich durch den AvD gefördert und unterstützt worden war. Die Rennen entwickeln sich rasch zu auch international viel beachteten Publikumsmagne- ten, was nicht zuletzt an der legendären Steilkurve liegt, durch die die Teilnehmer in ihren brachialen Boliden mit maximalen Tempo brausen. Die AVUS ist auch Austra- 1918 – Umbennung des K.A.C. in AvD In den Großstädten herrschen währenddessen mitunter chaotische Verkehrsverhältnisse. Das liegt nicht allein an der steigenden Zahl der Autos, die sich mit Pferdefuhr- werken, Straßenbahnen, Bussen, Fußgängern und Last- wagen arrangieren müssen, sondern noch viel mehr an den einzelnen Verkehrsteilnehmern selbst, die sich durch eine weitgehende Unkenntnis der Verkehrsregeln auszeichnen. Damit zumindest die professionellen Kraftwagenfahrer einen Beleg für ihr Wissen und ihre Zuverlässigkeit vor- weisen können, stellt der AvD ihnen eine sogenannte „Bestallungsurkunde“ aus und lanciert damit den Vorläufer des heutigen „Führerscheins“. Als 1933 die NSDAP bei den Reichstagswahlen zur stärks- ten Kraft und Adolf Hitler zum Reichskanzler gewählt wird, bricht eine dunkle Zeit über Deutschland herein. Um der Gleichschaltung in der Einheitsfront der deutschen Kraftfahrer und der Eingliederung in den „Der Deutschen Automobil-Club (DDAC)“ zu entgehen, ändert der AvD im Jahr 1934 seine Satzung. Damit einher geht eine Namens- änderung in Deutscher Ausland-Club e. V. (DAC) sowie die Aufgabe der automobilen Tradition. Neustart nach dem Zusammenbruch Mitte Mai 1948 kommt es zu einem Treffen von Verleger August Christ, Georg Zettritz und Ministerialrat Dr. Eras, bei dem die Grundlagen und die Ziel- Fortsetzung ››› Ayrton Senna beim Großen Preis von Deutschland Ayrton Senna beim Großen Preis von Deutschland 1918 - Umbennung des K.A.C. in AvD 1918 - Umbennung des K.A.C. in AvD Motorjournalist Edition 2019 21

Bundeskanzler Konrad Adenauer kommt 1953 zu Besuch an den AvD-Pavillon Frankfurt, im Kühlergrill der Limousine die AvD-Plakette Der AvD bezieht 1970 das „Weisse Haus”, das neue AvD Verwaltungsgebäude in der Lyoner Straße 16 in Frankfurt. Die Einweihung fand am 4. November 1970 statt Der AvD bezieht 2017 seine neue Heimat in der Frankfurter Goldsteinstraße 237 setzung einer Wiederbegründung des AvD besprochen werden. Für den 5. Juni 1948 wird das erste informelle Treffen im Wiesbadener Hansa-Hotel einberufen. Die Idee der Wiedererweckung erfährt unter den Teilnehmern sofort begeisterte Zustimmung: Binnen weniger Wochen schreiben sich Hunderte ehemaliger AvD-Mitglieder in die Listen für die Neugründung ein und der Gründungs- fonds sammelt 40.000 Deutsche Mark (DM). Erstes AvD Präsidium vereint zahlreiche große Namen Am 6. November 1948 kommt es im Saal des Kurhauses von Königstein im Taunus zur Wiederbegründungsversammlung des Automobilclubs von Deutschland e. V.. Es wird eine neue AvD-Satzung verabschiedet und ein Präsidium sowie ein Repräsentanten-Ausschuss als Vertretung der angeschlos- senen Ortsvereine gewählt. Der ehemalige hessische Minis- terpräsident und Rektor der Universität Heidelberg, Professor Dr. Karl Geiler, wird der vierte Präsident in der AvD-Geschichte. Als Vizepräsidenten fungieren Carl Max Graf von und zu San- dizell sowie Georg Zettritz, als Sportpräsident der Rennfahrer Manfred von Brauchitsch. Zu den weiteren Funktionsträgern zählen unter anderem Dr. Heinrich von Brentano, Bundes- außenminister im ersten Kabinett Adenauer, sowie Dr. Harald Koch, Hessischer Minister für Verkehr und Wirtschaft. Neue Heimat in Frankfurt am Main Da das ehemalige AvD Haus in Berlin dem Krieg zum Opfer gefallen war, die Hauptstadt durch die Blockade der Sow- jets nicht zu erreichen ist und über die Luftbrücke versorgt werden muss, sucht der wiederbegründete AvD eine neue Heimat in Frankfurt am Main. Weiterer Erfolg stellt sich bald ein: in München, Baden-Baden, Frankfurt, Düsseldorf, Köln, Krefeld, Hagen, Dortmund, Essen, Aachen, Wiesba- den, Braunschweig, Bremen und Hamburg werden Orts- beziehungsweise Korporativclubs wieder ins Leben geru- fen. Bis Ende 1949 steigt die Mitgliederzahl von 483 auf 1.541 Personen und überspringt im Verlauf des Jahres 1952 dann die 4.000er-Marke. In diesem Jahr errichtet der AvD zudem sein erstes eigenes Clubhaus der Nachkriegszeit in der Fürstenberger Straße im Frankfurter-Westend. Auch heute noch ist der Automobilclub von Deutschland wei- terhin in Frankfurt am Main beheimatet. Im Jahr 2017 bezieht er seine neue Hauptverwaltung in der Goldstein- straße 237 im Frankfurter-Quartier Goldstein. AvD – Die Mobilitätsexperten seit 120 Jahren Mit seiner breiten Palette an Services, wie der weltweiten Pannenhilfe, einschließlich einer eigenen Notrufzentrale im Haus, weltweitem Auto- und Reiseschutz, Fahrertrai- nings und zahlreichen Events, unterstützt der AvD die Mobilität seiner Mitglieder und fördert die allgemeine Verkehrssicherheit. Das Gründungsmitglied des Auto- mobilweltverbandes FIA betreut heute seine rund 1,4 Mil- lionen Mitglieder und Kunden ebenso persönlich wie individuell in allen Bereichen der Mobilität und steht für Leidenschaft rund ums Auto. /// AvD 22 Motorjournalist Edition 2019

Der neue Opel Corsa Evolution eines Bestsellers PR-BEITRAG Nicht nur auf deutschen und europäischen Straßen ist der Opel Corsa allgegenwärtig, auf praktisch allen Kontinenten zählt der populäre Kleinwagen – teilweise unter anderen Marken- oder Modellnamen – zu den bekannten und vertrauten Größen. Er ist eine Erfolgsgeschichte über bislang fünf Generationen mit fast 14 Millionen verkauften Einheiten, die nun in der sechsten Auflage ihre Fortsetzung finden soll. FOTOS: OPEL tungs-Verhältnis“, das diese Technologien auch außerhalb von Premium und höheren Fahrzeugklassen breiten Kundenkreisen zugänglich macht. Ein Anspruch, den eine Bei- spielzahl glaubhaft belegt: So hat schon das Einstiegsmodell mit 1,2-Liter-Benzinmotor und 55 kW (75 PS) für einen attraktiven Grund- preis von nur 13.990 Euro Sicherheitssysteme wie Frontkollisionswarner mit automatischer Gefahrenbremsung und Fußgängererken- nung, intelligente Geschwindigkeitsregelung sowie Spurhalteassistent und Verkehrsschil- derkennung serienmäßig an Bord. Stark aufgestellt ist Opels Subkompakter auch mit seinem komplett neu entwickelten Motorenprogramm. Auf der „ konventionellen“ Seite sind das drei 1,2-Liter-Dreizylinder-Ben- zinervarianten, bestehend aus dem erwähn- ten Basistriebwerk sowie zwei Turboversio- nen mit 74 kW (100 PS) und 96 kW (130 PS), die alle schon die ab 2021 verbindliche Abgas- norm Euro 6d erfüllen; dazu gesellt sich ein 75 kW (102 PS) starker 1,5-Liter-Turbodiesel mit der ab September 2019 vorgeschriebenen Einstufung Euro 6d-TEMP. Die „Pole Position“ im Leistungsportfolio des neuen Corsa besetzt mit 100 kW (136 PS) allerdings der batterieelektrische Corsa-e, der zudem mit einer voll alltagstauglichen Reichweite von bis zu 330 Kilometern nach neuem WLTP- Zyklus aufwarten soll. Unter dem Strich lässt sich also festhalten: Der Corsa „F“ ist nicht nur neu – er macht auch neugierig. /// Motorjournalist Edition 2019 23 Die Voraussetzungen dafür sind günstig, denn die seit dem 1. Juli bestellbare 6. Gene- ration des Opel Corsa zählt zu den fortschritt- lichsten Vertretern seiner Zunft. So basiert der 4,06 Meter lange Fünftürer auf der für Ver- brenner- und Elektroantriebe „dual“ ausge- legten Multi-Energy-Plattform der Groupe PSA und ist demzufolge in Benziner- und Die- selvarianten und bald auch in der batterie- elektrischen Ausführung Corsa-e erhältlich. „Verbrenner oder Elektroantrieb ist bei uns keine dogmatische Richtungsentscheidung“, sagt Opel-Chef Michael Lohscheller. „Der Kunde entscheidet, welche Antriebsvariante für seine Bedürfnisse die passende ist.“ An technischen Highlights mangelt es dem sportlich gezeichneten Neuling beileibe nicht. Zu seinen Merkmalen gehören laut Opel „kon- sequenter Leichtbau und eine niedrige Sitz- position des Fahrers“, die in Kombination mit dem fahraktiven, auf Agilität abgestimmten Chassis erhebliche Fahrfreude versprechen. Und ein achtstufiges Automatikgetriebe, wie er es bietet, stellt im Mainstream-Kleinwagen- segment ebenso eine Industrieneuheit dar, wie das adaptive Scheinwerfersystem „Intelli- Lux LED Matrix“. Für zeitgemäßes Entertain- ment und Top-Vernetzung sorgen neue Multi- media-Radio und -Navigationssysteme sowie der neue Telematikservice „OpelConnect“. Worauf man in Rüsselsheim ebenfalls großen Wert legt, ist „ein herausragendes Preis-Leis-

Wenn der Oldtimer auf das autonom fahrende Auto trifft Mit den rechtlichen Rahmenbedingungen des automatisierten Fahrens und den Perspektiven des künftigen Mischverkehrs setzte sich Dieselringträger Prof. Dr. Dieter Müller von der Hochschule der Sächsischen Polizei in seinem Vortrag beim diesjährigen VdM-Kongress in Friedrichshafen auseinander. Hochautomatisiert auf der Autobahn, die Technik hat den Verkehr im Blick FOTO: AUDI Gut 125 Jahre nach Erfindung des Automobils steht das Autofahren vor großen Umbrüchen. Die Digitalisierung unterstützt den Fahrer, Assistenzsysteme warnen rechtzeitig vor Gefahren und greifen, falls nötig, selbst- ständig ein, um kritische Situationen zu verhindern oder zu entschärfen. In der Zukunft sollen die Systeme zunehmend automatisiert Fahraufgaben übernehmen. Was heißt das für die Verkehrssicherheit? „Wird der Straßenverkehr im Zuge der Digitalisierung sicherer oder verbleiben Restrisiken?“, formulierte Prof. Müller die Ausgangsfrage seines Vortrags. Klar ist, bevor hoch- automatisierte und autonome Fahrzeuge für den Stra- ßenverkehr zugelassen werden, muss die neue Technik zunächst umfassend überprüft werden. Das geschieht derzeit in einer ganzen Reihe von weltweiten Feldver- suchen und auch auf deutschen Straßen. Nicht zuletzt aufgrund der Bedeutung der Automobil- industrie für den Wirtschaftsstandort Deutschland hat die Bundesregierung einen Masterplan zum automatisierten Fahren beschlossen und ehrgeizige Ziele definiert. Danach soll Deutschland Leitanbieter automatisierter Fahrzeugtechnologie bleiben und zudem Leitmarkt für die neue Technik werden. Der Weg vom Probebetrieb bis zur Serienreife und der Regelzulassung soll dazu geebnet werden. „Zur Verkehrssicherheit wird im Masterplan der Bundesregierung jedoch nichts gesagt. Eigentlich sollte das aber doch das oberste Ziel sein.“ Und auch nichts dazu in der Strategie der Bundesregierung zum automatisierten Fahren, die fünf Handlungsfelder definiert: Im Handlungsfeld Infrastruktur wird der „flächen- deckende Ausbau eines leistungsstarken mobilen Breit- bandnetzes“ gefordert, das „eine Echtzeit-Vernetzung der Fahrzeuge untereinander und mit der Infrastruktur ermög- lichen“ soll. Zweitens wird „ein Rechtsrahmen geschaffen, in dem künftig ein automatisiertes und vernetztes Fahr- zeug selbstständig Fahraufgaben übernehmen kann, ohne dass der Fahrer das System permanent überwachen muss.“ Mit der Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) sind dafür 2017 erste Bedingungen geschaffen. Im Handlungsfeld 3 „Innovation“ definiert die Bundesregie- rung die Erprobung im Realbetrieb, für die das „Digitale Test- feld Autobahn“ auf der A9 in Bayern bereits eingerichtet wurde. Die „IT-Sicherheit“ ist ein weiteres Handlungsfeld, um Hackerangriffe zu verhindern. Schließlich beschreibt die Strategie auch den Datenschutz. Danach müssen „die Fahrer automatisierter und vernetzter Fahrzeuge ... über die Erhe- bung und Verwertung von Daten informiert werden – und ihre Einwilligung geben. Die Daten gehören dem Nutzer.“ Verkehrssicherheit ist auch hier kein Thema. „Wie geht die Technik mit dem nicht vernetzten Bereich um, mit Fuß- gängern, in der Begegnung mit weniger technisch hoch- gerüsteten Fahrzeugen, also etwa Oldtimern? Wie verhält sie sich an einer neu eingerichteten Tagesbaustelle?“ 24 Motorjournalist Edition 2019

Paragraf 1a, Absatz 1 wird das StVG dann aber erstmal sehr schwammig: „Der Betrieb eines Kraftfahrzeuges mit- tels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktion ist zuläs- sig, wenn die Funktion bestimmungsgemäß verwendet wird.“ Was aber ist das genau, eine „bestimmungsmäßige Verwendung“ und wie ist sichergestellt, dass der Fahrer auch genau weiß, was darunter zu verstehen ist? Immer- hin liefert das Gesetz eine, wenn auch bruchstückhafte Definition: „Ein hoch- oder vollautomatisiertes Kfz ist steuerungsfähig, verkehrsnormentreu, deaktivierungs- fähig, übergabefähig und anzeigefähig.“ In Absatz 3 des Paragrafen 1a ist zudem die Rolle des Fahr- zeugführers beschrieben: „Fahrzeugführer ist auch derje- nige, der eine hoch- oder vollautomatisierte Fahrfunktion im Sinne des Absatzes 2 aktiviert und zur Fahrzeugsteue- rung verwendet, auch wenn er im Rahmen der bestim- mungsgemäßen Verwendung dieser Funktion das Fahr- zeug nicht eigenhändig steuert.“ Das wirft im Falle eines Unfalls Haftungsfragen auf. Hier werden künftig wohl Gerichte die Details der Auslegung klären müssen. Bislang gibt es dazu noch keine Urteile und für den Fahrzeug- führer verbleibt immer ein Haftungsrisiko. Paragraf 1b nimmt den Fahrzeugführer in die Pflicht. Der „darf sich während der Fahrzeugführung mittels hoch- oder vollautomatisierter Fahrfunktionen gemäß § 1a vom Verkehrsgeschehen und der Fahrzeugsteuerung abwen- den”. Aber: Er muss stets „wahrnehmungsbereit bleiben“, um die Steuerung des Fahrzeugs „unverzüglich wieder zu übernehmen, wenn ... das System ihn dazu auffordert“. Zudem ist der Fahrzeugführer verpflichtet, die Kontrolle über das Fahrzeug wieder selbst zu übernehmen, „wenn er erkennt oder auf Grund offensichtlicher Umstände erkennen muss, dass die Voraussetzungen für eine bestimmungsgemäße Verwendung der hoch- oder voll- automatisierten Fahrfunktionen nicht mehr vorliegen“. Bei alldem bleibt unklar, was bedeutet die „Übernahme- verpflichtung“ in der Praxis und was sind „offensichtliche Umstände“, die den Fahrer zum Handeln zwingen? Der Gesetzgeber scheint überzeugt, dass die Übernahme- verpflichtung schon irgendwie funktionieren wird. In der Begründung der gesetzlichen Regelung heißt es dazu: „Automatisierte Systeme können und werden den Fahr- zeugführer rechtzeitig zur Übernahme der Fahrzeugsteue- rung auffordern.“ Und weiter: „Hoch- und vollautomati- sierte Systeme kennen ihre Grenzen und fordern den Fahrzeugführer zur Übernahme der Fahrzeugsteuerung auf.“ Der Gesetzgeber verlässt sich mit dieser Aussage zu 100 Prozent auf die Fahrzeughersteller und macht sich de facto dadurch von ihnen abhängig. Klar ist aber wohl auch, dass automatisierte Systeme, die über längere Zeit die Steuerung des Fahrzeugs überneh- men, dem Fahrer eine trügerische Sicherheit vermitteln und ihn ermüden. Eine Studie der Unfallforschung der Versicherer (UDV) zusammen mit der Fortsetzung ››› Motorjournalist Edition 2019 25 Dürfen wir mit dem Oldtimer künftig nur noch auf abgesperrten Strecken fahren? FOTO: BOSCH Auch das internationale, fast weltweit geltende Wiener Übereinkommen wurde bereits am 23. März 2016 ange- passt. Danach muss ein Fahrer sein Fahrzeug während des Fahrens jederzeit beherrschen. Neu ist, dass die Systeme bereits dann als kontrollierbar gelten, wenn sie vom Fah- rer deaktivierbar oder übersteuerbar sind. „Danach muss also nun ein unvollkommener menschlicher Fahrer ein doch eigentlich vollkommenes technisches System über- steuern können. Ist das richtig?“ Hier könnte man nun zusätzlich das Grundgesetz anfüh- ren. Das definiert das Recht jedes Einzelnen auf freie Ent- faltung seiner Persönlichkeit. Die ist nur gewahrt, wenn ich die Technik abschalten oder übersteuern kann. Ein weiteres Grundrecht jedoch ist höherwertig, nämlich das der körperlichen Unversehrtheit. Wenn es der Sicherheit anderer Verkehrsteilnehmer nützt, darf das automati- sierte System also eingreifen, auch wenn der Fahrer das vielleicht nicht will. Im geänderten StVG hat der Gesetzgeber nun versucht, die Rahmenbedingungen für automatisiertes und auto- nomes Fahren zu regeln. Die Messlatte, die dabei ange- legt wird, ist sehr hoch: „Mit dem vorliegenden Gesetz wird das Zusammenwirken zwischen dem Kraftfahrzeug mit der hoch- oder vollautomatisierten Fahrfunktion und dem Fahrzeugführer geregelt“, heißt es in einer offiziellen Begründung zu den neuen gesetzlichen Regelungen. In

FOTO: ISTOCK So stellt sich auch der Gesetzgeber die schöne neue Autowelt vor TU Braunschweig hat im Übrigen gezeigt, dass ein Fahrer nach einer Übernahmeaufforderung mindestens zwölf Sekunden braucht, ehe er die volle Kontrolle über die Situa tion erlangt. Das System wird aber nach aktuellem Stand nur vier Sekunden Zeit lassen! Auch technisch sind noch viele Fragen offen. So können Fahrzeugsensoren heute maximal 150 Meter sicher über- schauen. Problematisch wird die Situation zudem schnell, wenn die Unterschiede im Geschwindigkeitsniveau groß sind. Wenn Fahrbahnmarkierungen fehlen oder etwa wegen einer Schneedecke auf der Straße unsichtbar sind, fährt das System blind und muss unverzüglich an den Fahrzeugführer übergeben. Vieles soll dann durch Kom- munikation gelöst werden – sofern der dafür nötige 5G-Mobilfunkstandard rasch und flächendeckend ausge- baut wird. Dann soll die Infrastruktur mit den automati- sierten und autonom fahrenden Fahrzeugen kommuni- zieren und auch die Fahrzeuge untereinander sollen Informationen in Echtzeit austauschen. Das mag zwischen zwei modernen, technisch hochgerüsteten Fahrzeugen funktionieren. Wie aber werden ältere Fahrzeuge, Young- und Oldtimer, und wie werden die schwächeren Verkehrs- teilnehmer in die für sicheres autonomes Fahren nötige Kommunikation eingebunden? In jedem Fall werden wir noch einen langen Zeitraum Mischverkehr bewältigen müssen – also Verkehrssitua- tionen, in denen sich hochautomatisierte oder autonom fahrende Fahrzeuge und konventionelle Autos begegnen. Dazu sind technisch noch eine ganze Reihe von Proble- men zu lösen. Unklar ist überdies, wie die Menschen mit der neuen Technik umgehen. Wollen wir uns alle nur noch fahren lassen? Oder wird die Faszination bleiben, die von einem Oldtimer ausgeht, der noch den jederzeit aufmerk- samen Fahrer benötigt? Die hochautomatisierte Fahrzeugtechnik wird die Verkehrs- sicherheit erhöhen, weil die Technik in vielen Bereichen zweifellos schneller und besser reagiert und überdies regel- konformer agiert als der oft unzulänglich oder auch unver- antwortlich handelnde Mensch. Da sind sich alle Experten einig. Dennoch wird ein Restrisiko bleiben. Möglicherweise wird es aber auch noch weitere, bislang nur rudimentär angedachte Restriktionen geben müssen. Vielleicht werden dann nur noch vernetzte, hochautomatisierte Fahrzeug- systeme für den Straßenverkehr zugelassen? Der Besitz eines Oldtimers ist nach diesem Szenario dann noch erlaubt, nicht aber ihn im öffentlichen Straßenverkehr auch bewegen zu dürfen. Dann hat das Kulturgut Oldtimer nur noch einen sicheren Platz, nämlich im Museum. /// Dieter Müller / so Prof. Dr. Dieter Müller, 1959 in Ilten bei Hannover geboren, ist seit 2000 Professor für Straßenverkehrsrecht mit Verkehrsstrafrecht an der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) und Leiter des Instituts für Verkehrsrecht und Verkehrsverhalten, Bautzen. Er begann seine berufliche Laufbahn nach dem Abitur 1978 mit der Ausbildung zum Polizeibeamten in Niedersachen. Von 1981 bis 1990 studierte er Theologie und Rechtswissenschaften (erstes jur. Staatsexamen) in Göttingen und Hannover. Nach dem juristischen Referendariat am OLG Celle (zweites jur. Staatsexamen) von 1991 bis 1994 promovierte er 1999 zum Dr. jur. an der Leibniz-Universität Hannover. Im gleichen Jahr wurde er durch den Sächsischen Staatsminister für Wissenschaft zum Professor berufen. Professor Dr. Müller erhielt 2015 den Goldenen VdM Dieselring für seine Verdienste um die Verkehrssicherheit FOTO: I. G. STROHBÜCKER 26 Motorjournalist Edition 2019

Sicherheit hat höchstes Entwicklungspotenzial Dieselringträger zu den Sicherheits entwicklungen im Automobilbau Wo liegen die Schwerpunkte in Sachen Sicherheit bei der Pkw-Entwicklung? Wir haben Träger des Goldenen Dieselrings des VdM, ehemalige und noch aktive Fahrzeug- entwickler, gefragt, wo sie die wichtigsten Potenziale sehen und wie es mit „Vision Zero“ weitergehen soll. Folgende Experten kommen zu Wort: Elmar Frickenstein, ehe- mals Leiter des Bereiches Entwicklung Fah- rerassistenz und Autonomes Fahren der BMW Group, Professor Dr. Ulrich Hackenberg, ehemals Vorstand der Audi AG für technische Entwicklung, Professor Dr. Lotta Jakobsson, technische Leiterin Fahrzeug sicherheit bei Volvo Cars, Dr. Wolfgang Lincke, ehemals stellvertretendes Markenvorstandsmitglied für Entwicklung bei der Volks wagen AG, Pro- fessor Dr. Rudolfo Schöneburg, Leiter Fahr- zeugsicherheit Mercedes Benz Cars und Dr. Anton van Zanten, ehemals Entwicklungs- ingenieur bei der Robert Bosch GmbH. Alle hier erwähnten Fachleute sind vom VdM für ihre hervorragenden sicherheitstechnischen Entwicklungen mit dem Goldenen Dieselring ausgezeichnet worden. Mehr über die Die- selringträger finden Sie ab Seite 60 und im Internet unter www.motorjournalist.de. Dass Fahrzeugsicherheit vielschichtig ist, wird aus allen Kommentaren deutlich. Waren es bis in die 70er Jahre vornehmlich passive Sys- teme, wie Airbag, Gurt oder Crashstrukturen der Fahrzeugkarosserie, die die Entwickler beschäftigt haben, rückten später die aktiven Sicherheitseinrichtungen wie beispielsweise ABS und ESP, der Abstandstempomat oder Nachtsichtsysteme mit in den Fokus der Entwicklung. Bedingt durch die Digitalisie- rung in der Mobilität beschäftigte man sich ab den 2000er Jahren natürlich auch mit Sen- soren, Kameras und jüngst mit der künst - Fortsetzung ››› lichen Intelligenz. Sicherheit einst, heute und in Zukunft Ende der 60er Jahre erkannte die Auto- mobilindustrie die Bedeutung der immer leistungsfähiger werdenden IT für Kons- truktion und Produktion. Das war der Beginn der in unserer Welt falscher Begriffe erst heute so benannten „Digi talisierung“. Ich wurde dazu aus der Luftfahrtindustrie zu VW geholt. Damals bedeutete „Sicherheitsentwick- lung“ einen ständigen Wettstreit zwischen passiver und aktiver Sicherheit. Erst lang- sam gestattete der IT-Fortschritt, zum Bei- spiel mittels Finite Element Methoden, Ver- suchsergebnisse vorauszusagen, sie über CAD in Konstruktionen umzusetzen und mit vorher nicht gekannter Präzision zu fer- tigen. Neben den strukturellen Verbesse- rungen zeigten heute selbstverständliche Zusatzmaßnahmen wie Anschnallpflicht, Airbag oder optimierte Gurtsysteme erhebliche Fortschritte bei der Linderung der Unfallfolgen. Die aktive Sicherheit tat sich zunächst schwerer. Sie hatte auf die Miniaturisie- rung und Kostenminimierung der Hard- ware zu warten. Bei allem unabdingbar notwendigen Fortschritt auf der passiven Seite erfolgte der eigentliche Umschwung in der Sicherheitstechnologie über Ele- mente der aktiven Sicherheit. ABS, ESP aber auch Rückfahrkameras, LED-Licht, Navigationssysteme und so weiter, unter- stützt von immer leistungsfähigerer Soft- ware, waren Komponenten, die man einige Jahre zuvor weder für möglich, geschweige denn für bezahlbar gehalten hätte. Der Versuch, die Zukunft der Fahrzeug- sicherheit abzuschätzen, muss davon aus- gehen, dass wir heute in einer völlig neuen Welt leben. Politik, Medien und zahllose „Experten“ schreiben Innovation vor, ohne Verantwortung für die Ergeb- nisse zu übernehmen und oft leider auch FOTO: PRIVAT ohne das erforderliche fachliche Wissen. Die ständig beschworene „Vernetzung“ – nämlich auch die der Folgen von Maßnah- men – wird dabei ignoriert. Dieses System lässt nichts Gutes ahnen – auch für die Fahrzeugsicherheit. Gefahren kommen aus ganz anderen Rich- tungen als früher. Die Forderung nach Elek- tromobilität weist selten auf die Risiken der Bord- und Ladespannungen von mehreren 100 Volt hin. Das angeblich unmittelbar bevorstehende „autonome Fahren“ hat auch nicht ansatzweise das Hackerproblem angegangen. Dabei wäre das jedoch wich- tiger als Ethikkommissionen. Schon heute lenken Nutzung von Tele- kommunikationssystemen, Infotainment und vielfältige Einstellmöglichkeiten immer mehr von der Fahraufgabe ab. Statt hier regulierend einzugreifen, wird weiter- hin über Geschwindigkeitsbegrenzungen diskutiert. Dringender wäre auch die zwingende Einführung von automati- schen Abstands- und Bremssystemen. Es bleibt nur zu hoffen, dass das wichtigste Prinzip der Regelungstechnik, das „Feed- back“, auch hier eines Tages korrigierend zur Wirkung kommt. Werden wir das Zero- Unfall Szenario erleben? Selbst wenn die Mobilitäts- und andere Wenden das weiter- hin unabdingbar notwendige Automobil zum anonymisierten Gebrauchsgegen- stand degradieren sollten – wohl kaum. Dr. Wolfgang Lincke Motorjournalist Edition 2019 27

FOTO: BMW Für Elmar Frickenstein, bis Ende letzten Jahres bei BMW verant- wortlich für den Bereich vollau- tomatisiertes Fahren und Fah- rerassistenz, standen zu Beginn seiner Tätigkeit Airbags, ABS, DSC, ACC, Verkehrsschilderken- nung oder auch Nachtsicht im Vordergrund, in letzter Zeit natürlich vermehrt „die Fah- rerassistenzsysteme mit all ihren vielen Helferlein. Denken sie nur an die Rückfahrkamera oder den SuroundView, bei dem Sie alle Gegenstände rund um Auto sehen können. Oder denken Sie einmal an die Funktion iBrake – in Notsituationen bremst das Auto für den Fahrer“ – alles Disziplinen, die er Elmar Frickenstein für besonders erwähnenswert hält. Hinsichtlich autono- men Fahrens teilt er die Meinung aller hier erwähnten Fachleute: „Ich sehe auch nach der Einführung des auto- nomen Fahrens (Level 4 und 5) weiterhin einen Entwick- lungsbedarf, denn nicht alle Autos werden die Funktionen haben. Level 4/5 ist einfach noch viel zu teuer und wir werden die nächsten 30 Jahre in einer hybriden Welt leben.“ Deshalb, so seine Meinung, wird uns Vision Zero noch 30 bis 50 Jahre beschäftigen. Dennoch: „Die Fahrer- assistenzsysteme und gerade die derzeitige Entwicklung zum autonomen Fahren haben mich extrem stark begeis- tert. Das autonome Fahren wird in Zukunft eine dominie- rende Rolle zur Unfallreduzierung beitragen.“ Lesen Sie hier und auf den folgenden Seiten, was die anderen Dieselringträger zu dieser Thematik sagen. /// bic FOTO: AUDI FOTO: PRIVAT Im Interview: Professor Dr. Ulrich Hackenberg und Dr. Anton Th. van Zanten Was war Ihre persönlich wichtigste Entwicklung in Sachen Verkehrssicherheit im Auto und warum? Hackenberg: Bedingt durch meinen Weg durch die Mar- ken des VW-Konzerns hatte ich ein sehr breites Verant- wortungsspektrum bezüglich der Fahrzeugsicherheit. Während die Premium-Fahrzeuge wie Bentley, Audi und auch der Phaeton hinsichtlich der sicherheitstechni- schen Ausstattungen aus dem Vollem schöpfen konn- ten, lag die Herausforderung bei den Einstiegsfahrzeu- gen darin, höchstes Sicherheitsniveau im Kostenrahmen der Fahrzeuge sicherzustellen. Nicht zuletzt aus dieser Verantwortung heraus entstanden die modularen Ansätze in Verbindung mit der Baukastentechnologie. Wenn ich die Entwicklung der Fahrzeugsicherheit generell nachvollziehe, waren die herausragenden Ein- flussfaktoren sicherlich die Gurtanlegepflicht, der Fah- rerairbag in Verbindung mit der Sicherheitszelle, die flächendeckende Einführung des ABS und die Demo- kratisierung des ESP (ESC). Aber auch Maßnahmen wie die diversen Innenraum-Airbags, der Fußgängerschutz und insbesondere die Assistenzsysteme zur Entlastung des Fahrers und zur Vermeidung von Unfällen haben wesentliche Beiträge zur Reduzierung von Unfallge- schehen und Unfallfolgen geleistet. Professor Dr. Ulrich Hackenberg Dr. Anton Th. van Zanten Was war die wichtigste verkehrssicherheitsrelevante Entwicklung in jenem Unternehmen, im dem Sie als Entwickler tätig waren? Hackenberg: Der für mich wichtigste Beitrag der Marke VW als Volumenhersteller und des Markenverbundes der VW-Gruppe war die Verfügbarmachung der von den Pre- miumherstellen eingeführten teuren Sicherheitssysteme für die breite Masse der Verkehrsteilnehmer. Durch kon- sequente Kostenoptimierung und Skalen-Effekte in Ver- bindung mit Plattform- und Baukastentechnologien konnte die finanzielle Erreichbarkeit der Sicherheitssys- teme für die Volumenkunden sichergestellt werden und das erhöhte Sicherheitsniveau der Allgemeinheit verfüg- bar gemacht werden. v. Zanten: Die Entwicklung des ABS. ESP baut auf ABS auf. v. Zanten: Die Entwicklung des ESP, um das gefährliche Schleudern des Fahrzeugs in jedem Betriebszustand zu verhindern. Wo sehen Sie heute noch Defizite in der Entwicklung der Unfall-/ Verkehrssicherheitsarbeit im Automobil? 28 Motorjournalist Edition 2019

Hackenberg: Während die passive und aktive Sicher- heit der Fahrzeuge inzwischen ein sehr hohes Niveau erreicht haben, werden mehr als 90 Prozent der Unfälle durch die Menschen als Verkehrsteilnehmer verursacht. Das bezieht sich nicht nur auf die Fahrzeugführer, son- ders auf alle am Verkehrsgeschehen beteiligte Men- schen. In Verbindung mit der Digitalisierung des Ver- kehrs sehe ich ein großes Potential hinsichtlich der Unfallvermeidung. Während Neufahrzeuge sukzessive mit entsprechender Sensorik und Aktuatorik sowie ver- netzten Systemen ausgestattet werden können, stellt die Erreichbarkeit vorhandener Fahrzeuge und nicht fahrzeuggebundener Verkehrsteilnehmer eine große Herausforderung dar. v. Zanten: Bei der aktiven Sicherheit: Verhindern von Unfällen durch Fahrerassistenzfunktionen, bessere Infor- mationen über die Verkehrssituation und automatisiertes defensives Fahren (zum Beispiel beim Spurwechsel sollen andere Fahrzeuge automatisch Platz machen und das Fahrzeug einfädeln lassen, der Fahrer soll ein Signal bekommen, wann er einfädeln kann). Wird die Entwicklung hochautomatisiert/autonom fahrender Autos die Sicherheitsforschung obsolet machen oder wo werden die Sicherheitsschwerpunkte in der Zukunft liegen? Hackenberg: Hochautomatisierte/autonom fahrende Autos haben sicherlich ein großes Potential, den Faktor „Mensch“ als Verursacher von Unfällen zu reduzieren. Allerdings werden wir bis dahin noch über eine lange Zeit Mischverkehr zwischen manuell und automatisiert geführten Fahrzeugen haben, so dass die Einbeziehung eines autonom geführten Fahrzeuges in einen Unfall nicht ausgeschlossen werden kann und die Bedeutung der „passiven Sicherheit“ nach wie vor einen sehr hohen Stel- lenwert haben wird. In Verbindung mit einer zunehmen- den Positionierungsfreiheit der Fahrzeuginsassen wird die passive Sicherheit eher noch an Komplexität zunehmen, da der Faktor „out of position“ die Rückhaltesysteme ver- komplizieren wird. v. Zanten: Bei hochautomatisiertem Fahren (Fahrer muss die Verkehrssituation beobachten) und bei vollautomati- siertem Fahren (Fahrer muss die Verkehrssituation nicht beobachten) wird der Fahrer immer wieder gebraucht, so dass die Sicherheitsforschung bleiben muss, wie sie ist. Hochautomatisiertes und vollautomatisiertes Fahren ist immer nur für bestimmte Fahrsituationen definiert, zum Beispiel Autobahnfahrt wie derzeit beim Audi A8. Sobald das Fahrzeug diese Fahrsituation verlässt, ist der Fahrer wieder voll verantwortlich. Beim autonomen Fahren (kein Fahrer, kein Lenkrad, kein Gaspedal, kein Bremspedal) gibt es noch viele Probleme zu lösen. Die erforderliche Künstliche Intelligenz (KI) kann nur Unfälle vermeiden, wenn die Situationen, die zu den Unfällen führen, oder die nicht zu Unfällen führen (z.B. ein plötzlich aufsteigender Schwarm von Vögeln ist harmlos) bereits von der KI mehrfach erfahren wurden, denn die KI lernt aus Erfahrung. Deshalb wird es auch bei autonom fahrenden Fahrzeugen noch sehr lange dau- ern, bis die Sicherheitsforschung nicht mehr notwendig ist. Dazu kommt noch, dass das Thema „Gemischtver- kehr“ noch nicht untersucht wurde. Weiter ist das Thema Sicherheit bei Systemausfall nicht gelöst: was passiert, wenn zum Beispiel ein Sensor, ein Elektromotor, eine Pumpe oder ein Getriebe in einem System ausfällt? Wel- che Anforderungen an die Sicherheit muss ein System erfüllen, nachdem ein Fehler entdeckt wurde? Man spricht hier von „Fail Operational“, jedoch sind dessen Anforderungen nicht definiert, und sie variieren von „Fail Operational muss das menschliche Verhalten ohne Sys- tem nachbilden“ bis zu „das fehlerbehaftete System muss die Anforderungen des fehlerfreien Systems zu 100 Prozent erfüllen“. Durch die Zunahme der Komple- xität der Systeme wird die Fehlerhäufigkeit zunehmen und die Schwierigkeiten, sie zu bewältigen. Um diese Anforderungen zu erfüllen, wird Redundanz von Sys- tem-Komponenten und dreifach Redundanz bei Senso- ren eingeführt. Dies ist teuer und deshalb wird über Teil- redundanz von Komponenten nachgedacht. Wir weit sind wir noch von „Vision Zero“, dem Ziel von null Verkehrstoten, entfernt? Hackenberg: Bedingt durch neue Verkehrsszenarien und -trends sehe ich aktuell eher einen Rückgang der Ver- kehrssicherheit. Maßgebend beteiligt sind motorisierte Fahrräder, deren Population signifikant zunimmt und die häufig von ungeübten Verkehrsteilnehmern eingesetzt werden. Die Abmarkierung von Fahrspuren auf Geh- wegen für diese lautlosen Fahrzeuge überfordert häufig die Passanten und fördert die Unfallhäufigkeit. Für mich nicht nachvollziehbar ist die Entbindung der Nutzer von elektrisch angetriebenen Fahrzeugen der Mikro-Mobilitäts-Klasse (z.B. e-Roller) von der Helm- pflicht. Hier sehe ich aufgrund der Gefahr von Kopfverlet- zungen weiteren regulativen Handlungsbedarf. Ich hoffe, dass nicht erst die Statistik des Unfallgesche- hens den meines Eachstens notwendigen Handlungs- bedarf einklagen wird. v. Zanten: Meines Erachtens muss „Vision Zero“ auch die Anzahl der Verletzten und schwer Verletzten reduzieren, bis hin zu „es gibt keine Unfälle mehr“. Wir kommen dem Ziel „Vision Zero“, vor allem durch die Fortschritte bei den Fahrerassistenzfunktionen, Fahrerinformationen bezüg- lich Sicherheit und bei der passiven Sicherheit, immer näher. Weitere Verbesserungen bringen Systeme, die „Fail Operational“ sind. Autonom fahrende Fahrzeuge werden meines Erachtens demgegenüber keine deutlichen Fort- Fortsetzung ››› schritte bringen. /// Motorjournalist Edition 2019 29

Im Interview: Professor Dr. Lotta Jakobsson, Volvo Cars und Professor Dr. Rudolfo Schöneburg, Mercedes Benz Cars Seit wann betreibt Ihr Unternehmen Sicherheitsforschung im Automobil? Jakobsson: Nils Bohlin wurde 1958 von Volvo beauftragt, die Sicherheitsentwicklung zu forcieren, insbesondere einen Sicherheitsgurt zu entwickeln, der Autofahrer stets schützen soll. Die damaligen Sicherheitsgurte (hauptsäch- lich verschiedene Arten von 2-Punkt-Gurten) waren aber nicht sicher genug. Das war der Beginn der eigentlichen Sicherheitsforschung und -entwicklung bei Volvo. Nils Boh- lin leitete viele Jahre lang die Weiterentwicklung von Gur- ten. Zur selben Zeit begann man auch mit Crashtests, die später in einem Sicherheitszentrum zusammengefasst wur- den. Zunächst wurden Crashteststrecken im Freien genutzt, die dann Anfang der 70er Jahre in Innenräume verlagert wurden. 1970 war auch der Beginn unserer Unfalluntersu- chungsgruppe und der realen Datenerfassung. Hans Norin wurde von Nils Bohlin beauftragt, das Team und die Daten- erhebung aufzubauen, die seitdem erfolgreich sind. Schöneburg: Überlegungen, wie man Automobile siche- rer machen kann, gibt es seit je her bei Mercedes-Benz. Im Fokus der Ingenieure stand dabei die ständige Verbesse- rung der Automobiltechnik, um Unfällen durch techni- sches Versagen, wie geplatzte Reifen und gebrochenen Achsen, entgegenzuwirken. Ein entscheidender Wendepunkt in der Sicherheitsfor- schung von Mercedes-Benz war sicherlich der Eintritt Béla Barényis bei Daimler-Benz im Jahr 1939. Es folgten zahlrei- che Patente in der Fahrzeugsicherheit. Hervorzuheben ist Barényis Erkenntnis, dass im Fall eines Zusammenstoßes eine verformbare Frontstruktur die kinetische Energie, also die Aufprallenergie, absorbiert. Damit war die Idee der Knautschzone geboren. Was war das erste größere Forschungsvorhaben seinerzeit? Jakobsson: Der Sicherheitsgurt war mit Abstand die bedeutendste erste Sicherheitsentwicklung von Volvo. Vor dem Gurt wurden Sicherheitsaspekte nach dem neuesten Stand der Technik angewendet, wie zum Beispiel Karosse- riestrukturdesign, Windschutzscheibendesign und Brems- konstruktion. Mit der Entwicklung und serienmäßigen Ein- führung des Sicherheitsgurtes trug Volvo dazu bei, die Sicherheit im Auto auf ein völlig neues Niveau zu heben. Beim Anlegen des Sicherheitsgurtes profitierten die Insas- sen auch von der Karosseriestruktur, also von der gesam- ten Sicherheitskonstruktion des Fahrzeuges. Schöneburg: 1959 liefen in Sindelfingen die ersten syste- matischen Crashversuche. Diese Tests waren nur die Vor- FOTO: VOLVO CARS FOTO: DAIMLER Professor Dr. Lotta Jakobsson, Volvo Cars Professor Dr. Rudolfo Schöne- burg, Mercedes Benz Cars stufe zu technisch komplexer ausgelegten Crashversuchen und zeigten, mit wie viel Engagement damals schon Fahr- zeugsicherheit betrieben wurde. Die Tests bestätigten Béla Barényis theoretische Überlegungen weitestgehend. Mit dem „Knautschzonenpatent“, das eine stabile Fahrgastzelle und einen nachgiebigen Front- und Heckbereich vorsah, war die Grundlage zum Bau sicherer Automobile geschaffen. Was war bisher die größte sicherheitstechnische Entwicklung (Automobil) in Ihrem Unternehmen? Jakobsson: Der 1959 eingeführte Dreipunkt-Sicherheits- gurt mit dem Design, das wir noch heute in jedem Auto sehen, ist mit Abstand die größte Sicherheitsinnovation von Volvo. Dem folgten mehrere Innovationen von ähn- licher Bedeutung und Wirkung, die globale Standards set- zen, und nach wie vor Gültigkeit besitzen: Unsere wichtigen Weltneuheiten bei Seitenaufprall in den 90er Jahren: SIPS (Side Impact Protection System – die Struktur betreffend), SIPSbag (der erste Seitenaufprall- Airbag – für zusätzlichen Brustschutz), IC (aufblasbarer Seitenvorhang). Das Kindersitzkissen – eine Weltneuheit aus dem Jahr 1978 – die Grundlage für alle heutigen Maßnahmen zur optima- len Gurtposition. Darüber hinaus haben wir 1990 den welt- weit ersten integrierten Kindersitz eingeführt. Diese Welt- neuheit ermöglichte es erstmals, dass auch Kinder (in angemessener Größe) vom Sicherheitsgurt profitieren konnten. Darüber hinaus trug Volvo maßgeblich zur Ent- wicklung von rückwärts gerichteten Kindersitzen bei. Volvo spielt eine wichtige Rolle für die Entwicklung der Sicherheit von Kindern in Autos, indem es weltweit erste Kindergurte entwickelte und gleichzeitig eine aktive Rolle bei der Standardisierung von Kindergurten übernahm. Noch erwähnenswert: Unsere bahnbrechenden Techno- logien bei Fahrzeugbremsen, darunter der standard- mäßig installierte City Notbremsassistent im Jahr 2008 und das umfangreiche standardmäßig montierte City Safety Package ab 2015 in unseren Fahrzeugen. 30 Motorjournalist Edition 2019

Schöneburg: Neben der genannten Sicherheitskarosserie folgten zahlreiche Sicherheitstechniken, die in Mercedes- Benz Autos verbaut wurden: Keilzapfen-Türschloss, ABS, ESP und vieles mehr. Herausragend war sicherlich die Ent- wicklung des Airbags, der erstmals 1980 in einem Merce- des-Benz, dem W126 auf der Fahrerseite eingesetzt wurde. Als Wendepunkt hervorzuheben ist das präventive Insas- senschutzkonzept PRE-SAFE. Damit war die bis dato gültige Aufteilung in Aktive und Passive Sicherheit aufgehoben und ein Paradigmenwechsel eingeleitet: Die Passive Sicher- heit hat sich immer damit beschäftigt, die Unfallfolgen zu mindern, und zwar ab dem Moment, wo eine Berührung mit dem Unfallgegner da war. Die Aktive Sicherheit hat sich der Fahrsicherheit angenommen, hat versucht, Unfälle zu vermeiden, das Fahrzeug fahrstabil zu halten. Seit der Ent- wicklung von PRE-SAFE bewegen wir uns zusätzlich in einem Grenzgebiet, dem unfallnahen Bereich, wo wir über Unfallwahrscheinlichkeiten diskutieren. Eine ganz neue Qualität der Diskussion zum Thema Sicherheit ist damit möglich geworden. Aber das zeichnet eine echte Inno- vation aus, es ist kein Einzelthema, sondern beeinflusst maßgeblich die Entwicklung künftiger Systeme. Wo liegt sicherheitstechnisch der Schwerpunkt in den nächsten fünf Jahren und was wird die größte Herausforderung dabei sein? machen wir uns intensiv Gedanken, wie wir zum Beispiel HV-Batterien sicher in der Karosserie unterbringen können. Wird hochautomatisiertes bzw. autonomes Fahren die Sicherheitsforschung über kurz oder lang obsolet machen? Jakobsson: Die Sicherheitsforschung wird Bestand haben: Wir müssen gewährleisten, dass zum einen ein automati- siertes/autonom fahrendes Auto sicher unterwegs ist, zum anderen den Schutz der Insassen sicherstellen, falls es doch zu einer Kollision mit einem anderen Auto kommt. Schöneburg: Der große Vorteil von automatisierten Fahr- funktionen liegt darin, dass in Zukunft weniger Unfälle durch Fehler des Fahrers verursacht werden könnten. Aber es wird sicherlich noch viele Jahre einen Mischverkehr aus automa- tisierten und nicht-automatisierten Fahrzeugen geben. Ein ganz wichtiger Punkt ist dabei die sich stetig weiterent- wickelnde Sensorik und auch die Zunahme der Sensoren: Diese werden in Zukunft ganz neue Potentiale für die Fahr- zeugsicherheit eröffnen. Klar ist: Ein sicheres Fahrzeug nutzt alle Möglichkeiten der Unfallvermeidung, ist aber immer auch darauf vorbereitet, dass es einen Unfall geben könnte. Wie weit sind wir von „Vision Zero“ entfernt? Jakobsson: Beim Insassenschutz gibt es noch viel zu tun, vor allem in Bezug auf die Vielfalt der Insassen, Sitzhaltun- gen und Crash-Situationen. Darüber hinaus stehen neben der Fahrerunterstützung die Fortschritte bei der Kollisions- vermeidung und -minderung im Mittelpunkt. Wir forschen zum Beispiel auch intensiv am Fahrerverhalten und unter- suchen, wie Geschwindigkeit, (Alkohol-)Rausch und Ablen- kung wirken. Hier stehen wir noch vor vielen Herausforde- rungen, die Grundlagenforschung, Kundenakzeptanz sowie technische Umsetzung betreffen. Um dies zu ermög- lichen, bedarf es der Zusammenarbeit mit allen Beteiligten. Schöneburg: Eine Herausforderung in den nächsten Jah- ren wird die zunehmende Automatisierung von Fahrzeu- gen sein, denn damit ändern sich auch die Anforderun- gen an die Fahrzeugsicherheit. Ein Beispiel hierfür sind die neuen, komfortablen Sitzpositionen der Insassen, die unter anderem angepasste Rückhalte-Systeme erfordern. Mit dem kürzlich vorgestellten ESF 2019 zeigen wir einige Ideen, wie die neue Gestaltung des Fahrer-Airbags oder des integralen Seitenairbags, der sich zu beiden Seiten aus der Rückenlehne des Sitzes entfaltet. Experimental-Sicherheits-Fahrzeuge von Mercedes- Benz (ESF) haben seit jeher einen Blick in die Zukunft gegeben und Lösungen für kommende Herausforderun- gen aufgezeigt. Ein weiteres Beispiel, das auch schon frühere ESF-Fahr- zeuge aufgegriffen haben, ist die E-Mobilität. Auch hierzu Jakobsson: Volvo Cars kündigte 2008 seine Sicherheits- vision an, dass bis 2020 niemand in einem neuen Volvo- Auto getötet oder schwer verletzt werden sollte. Bei unse- rer Vision 2020 legen wir großen Wert darauf zu betonen, dass wir alle Verkehrsteilnehmer schützen wollen. In den letzten Jahrzehnten haben wir bei Unfällen mit Volvo-Fahrzeugen Verletzungen und Todesfälle enorm reduziert, aber wir haben noch nicht die Null erreicht. Wir sind stolz darauf, wie weit wir gekommen sind, aber wir sind noch nicht zufrieden. Die Themen Geschwindigkeit, Rausch und Ablenkung stellen die wesentlichen „Lücken” in Bezug auf das Ziel von Volvo Cars dar, eine Zukunft ohne Verkehrstote zu schaffen. Wir werden deshalb das Thema jetzt noch nachhaltiger als bisher angehen. Schöneburg: Auch vollautomatisierte und fahrerlose Fahrzeuge stoßen an physikalische Grenzen. Zudem lässt sich eine Kollision im Mischverkehr nicht unter allen Umständen ausschließen. Auf absehbare Zeit ist auch noch nicht zu erwarten, dass automatisiertes Fahren für alle Straßen geeignet ist. Deshalb gehen wir davon aus, dass es auch noch in Zukunft zu Unfällen kommen wird, wenn auch mit sinkender Tendenz. Mit einem ganzheitlichen Konzept für Aktive und Passive Fahrzeugsicherheit, wir bezeichnen diese Strategie als Integrale Sicherheit, möchten wir aber einen Beitrag dazu leisten, die Zahl der Verkehrstoten und Verletzten im Stra- ßenverkehr auch in Zukunft weiter zu senken. /// Motorjournalist Edition 2019 31

Leben nicht verhandelbar Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat DVR wurde dieses Jahr 50. Seine Aktionen sind maßgebend für die Verkehrssicherheit auf unseren Straßen. Die Mission ist klar: Keine Verkehrstoten mehr auf unseren Straßen. Was vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat DVR als „Vision Zero“ propagiert wird, ist ein Programm, das umfangreicher und wichtiger nicht sein kann. Seit dem Jahr 2007 fordert der DVR: „Alle kommen an. Keiner kommt um!“ DVR-Präsi- dent Professor Dr. Walter Eichendorf ist des- halb auch nimmer müde, zu betonen, „Leben ist nicht verhandelbar!“ So auch bei seiner Begrüßungsrede zum 50-jährigen Jubiläum des Verbandes im Frühsommer in Berlin. Der Weg zu Vision Zero, so Eichendorf, sei aller- dings lang. So erinnerte er an die Aktion „Hallo Partner, danke schön“, die für mehr Rücksicht- nahme im Verkehr sorgen sollte, auch in vielen Köpfen verankert war und schließlich positive Stimmung verbreitete. Auf der anderen Seite seien viele Aktionen lange Zeit kritisiert wor- den. Sein Beispiel: Der Sicherheitsgurt. Als der DVR das Anlegen propagierte, sei die Politik noch verhalten gewesen. Die Lobby der Zweif- ler und Kritiker war zu groß. Erst das Bußgeld bei Nichtbenutzung hatte seinen endgültigen Durchbruch geschafft. Eichendorf: „Das war bizarr!“ Schlagzeilen wie „Mehr Tote mit Gurt“ oder „Nicht vertretbar mit der freien Mobilität der Menschheit“ hätten das Stimmungsbild seinerzeit geprägt. Doch trotz aller Hürden blieben der DVR und seine Macher alle Jahre optimistisch. „Wir müssen immer wieder die Menschen vom Sinn einer solchen Einrichtung überzeugen und sie dafür gewinnen.“ Eichen- dorf ist sich aber auch im Klaren: Freiwilligkeit sei die ein Seite der Medaille, Überwachung die andere Seite. Wer sich im Straßenverkehr grob fahrlässig verhält, sei es durch Rasen, Drängeln oder falsches Überholen, der müsse durch die Gesellschaft geächtet, durch die Poli- zei verfolgt und mit angemessenen Sanktio- nen belegt werden. Damit es nicht so weit kommt, ist es dem DVR wichtig, die Bevölkerung auf breiter Front zu sensibilisieren. Dafür hat der DVR bereits in 32 Motorjournalist Edition 2019 PLAKATE: DVR den 80er Jahren Zielgruppenprogramme ein- geführt, die bis heute wirken. Viele der Pro- gramme gipfelten in werbewirksame Kampag- nen, wie zum Beispiel „Hallo Partner, danke schön“ oder, im Jahr der Wiedervereinigung, „Rücksicht kommt an“. „Runter vom Gas“, die FOTO: MARCO URBAN/DVR DVRPräsident Professor Dr. Walter Eichendorf erinnert an den Slogan „Hallo Partner, danke schön”

Die 10 Top-Forderungen für Vision Zero 1. Verkehrsüberwachung gezielt verstärken ››› Polizei und Überwachungsorgane finanziell und personell stärken ››› Prävention und Verfolgung von Verstößen besser koordinieren ››› Modellversuch „Section Control“ durchführen 2. Höchstgeschwindigkeit anpassen ››› Auf Landstraßen bis 6 Meter Breite max. 80 km/h ››› Überholverbot auf Landstraßen mit unzureichender Sichtweite ››› Modellversuch innerorts Tempo 30 km/h statt 50 km/h 3. Baumunfälle vermeiden ››› Seitenräume von Landstraßen hindernisfrei räumen ››› Bei bestehenden Bäumen passive Schutzeinrichtungen erhöhen ››› Zulässige Höchstgeschwindigkeit auf Alleen reduzieren 4. Sicherheit für Motorradfahrende erhöhen ››› Vorschläge zur Straßeninfrastruktur für Motorradfahrende umsetzen ››› Erkennbarkeit von Motorradfahrenden erhöhen 5. Sicherheit durch Verbesserung der Infrastruktur erhöhen ››› Erprobte Maßnahmen anwenden ››› ››› Sicherheit an Kreuzungen, Einmündungen und Kreisverkehren erhöhen Instrumente wie Sicherheitsaudits einsetzen 6. Fahrerassistenzsysteme, Automatisierung und Vernetzung forcieren ››› sicherheitsrelevante Assistenzsysteme fördern und durchsetzen ››› Sicherheitspotenziale der Assistenzsysteme und des vernetzen Fahrens nutzen Infrastruktur für diese Zielgruppen verbessern 7. Sicherheit für Fuß und Radverkehr erhöhen ››› ››› Erkennbarkeit erhöhen ››› Helmtragen fördern ››› Abbiegeassistenten entwickeln und vorschreiben ››› „holländischen Griff“ (mit der innenliegenden Hand die Fahrzeugtür öffnen) publik machen 8. Fahren unter Drogen und Alkoholeinfluss verhindern ››› Alkoholverbot am Steuer durchsetzen ››› Alkohol-Interlock-Programme einführen ››› Für Radfahrende Strafmaß ab 1,1 Promille erhöhen 9. Qualifizierung von Fahranfängern verbessern ››› Begleitetes Fahren fördern ››› Obligatorische Lernzeitverlängerung einführen ››› Curriculum für Fahrausbildung entwickeln und einführen 10. Gefahren durch Ablenkung verringern ››› Verhaltensänderung im Umgang mit Smartphone etc. erzeugen ››› Technische Möglichkeiten zur Verringerung der Ablenkung ausschöpfen Motorjournalist Edition 2019 33 aktuelle Kampagne, die seit elf Jahren läuft, sei die bisher erfolgreichste, was Kontakte angeht. Eichendorf macht aber auch deutlich, dass sich das Bewusstsein für Verkehrssicher- heit und Mobilität auf breiter Front weiterent- wickelt hat. Beide hätten in der Gesellschaft einen anderen Stellenwert bekommen, an dem der DVR ganz intensiv mitgewirkt habe. Parallel hätte aber auch der Gesetzgeber reagiert und das Verkehrsrecht den aktuellen Gegebenheiten angepasst, lobt der Präsident. Als der DVR 1969 gegründet wurde, waren die Unfallzahlen noch verheerend. Mehr als 21.000 Menschen kamen seinerzeit ums Leben. Im letzten Jahr waren es „nur“ noch 3.275. Dass die Zahl zuletzt sogar wieder gestiegen ist, betrübt alle Verkehrssicher- heitsexperten natürlich. Deshalb ist es umso wichtiger, auch einmal auf den ersten Blick unpopuläre Maßnahmen und Kampagnen vorzuschlagen. So stieß auch der Ruf nach der Gurtpflicht, wie erwähnt, nicht immer auf positive Stimmung. Auch die Forderung, Geschwindigkeiten konsequenter zu über- wachen, dürfte so manchem flotten Auto- fahrer nicht gefallen. Oder: Bäume an Stra- ßen ins Visier zu nehmen, ruft sicherlich den einen oder anderen Naturschützer auf den Plan. Und wer denkt nicht an die fast schon verstörenden Plakate an den Bundesauto- bahnen, auf denen der DVR deutlich signali- siert, mit welchen Konsequenzen Raser, Gurtmuffel oder Handynutzer im schlimms- Fortsetzung ››› ten Fall rechnen müssen.

„Tipp, tipp, tot“ sagt alles. Aber DVR-Präsi- dent Eichendorf bleibt konsequent: „Leben ist nicht verhandelbar!“ Der DVR kümmert sich deshalb auch um alle Verkehrsteilnehmer. Programme für Kinder und Jugendliche gehören ebenso dazu, wie für junge Fahranfänger, Fußgänger, Radfah- rer, Berufskraftfahrer und auch ältere Bürger. In den sechs Vorstandsausschüssen „Erwach- sene“, „Fahrzeugtechnik“, „Kinder und Jugendliche“, „Junge Kraftfahrer“, „Verkehrs- technik“ und „Verkehrsmedizin“ arbeiten dazu Fachleute aus allen Bereichen der Ver- kehrssicherheitsarbeit, – Versicherungswirt- schaft, Prüforganisationen, Bundes- und Kommunalverwaltungen, Verbände, Univer- sitäten und Industrie. Sie erarbeiten die Grundlagen für die Aktivitäten, Initiativen 34 Motorjournalist Edition 2019 Der damalige Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel (links) und der damalige ACE-Vorsitzende Lutz Gosepath auf dem Gurtschlitten bei einer Veranstaltung im Rahmen der DVR-Gurtkampagne „Klick – erst gurten, dann starten” im Jahr 1975. und letztlich Empfehlungen des DVR. Einer der wichtigsten Partner sind die Berufsge- nossenschaften und die DGUV Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung. Sie tragen maßgeblich zur Finanzierung des DVR bei, neben dem Bundesverkehrsministerium und den Beiträgen der knapp 200 Mitglieder. Auch der VdM, übrigens Gründungsmitglied des DVR, sitzt in drei Ausschüssen und bringt dort seine Kompetenz ein. /// bic FOTO: DVR

Sicherheits-Helden Seit über 100 Jahren machen sich Entwickler in aller Welt Gedanken darüber, mit welchen Einrichtungen man den Verkehr sicherer machen kann. Doch: Wer hat eigentlich was erfunden? Beginnen wir mit der Wurzel allen Übels, dem Auto. Auf der Homepage von Daimler heißt es: „Am 29. Januar 1886 meldet Carl Benz sein ‚Fahrzeug mit Gasmotoren- betrieb‘ zum Patent an. Die Patentschrift DRP 37435 gilt somit als die Geburtsurkunde des Automobils.“ Damit scheint alles klar zu sein. Aber, wie das so ist mit Geburtsurkunden: Die tradierte Vaterschaft ist mitunter fraglich. So auch in diesem Fall. Man muss gar nicht bis zum Universalgenie Leonardo da Vinci zurückgehen, der vor rund 500 Jahren einen Holz- karren mit Federwerk-Antrieb skizziert – vielleicht sogar baut – denn feststeht, dass 1769, also lange vor Benz, der Franzose Nicholas Cugnot einen Dampfwagen auf die Straße bringt. Der ist das erste, historisch belegte „Auto- mobil“ im Wortsinn 1. Und bereits 1863 baut der Luxem- burger Étienne Lenoir den von ihm erfundenen Gas- 1 Abgeleitet von griechisch autós, deutsch = ‚selbst‘, und lateinisch mobilis‚ deutsch = beweglich‘. motor in sein „Hippomobile“ und geht mit dem Gefährt auf eine 18 Kilometer lange Fahrt. Der österreichische Ingenieur Siegfried Marcus darf ebenfalls nicht unerwähnt bleiben. Dessen motorisierte Vehikel knattern zwischen 1866 und 1870 durch Wien. Und der Engländer Edward Butler zeigte 1884 auf der Stanley Cycle Show in London Pläne eines dreirädrigen Benzinfahrzeugs, das er schließlich 1885 auf der Erfinder- Ausstellung in London präsentiert. Zwar ist Benz der Einzige, der langfristig genügend Ener- gie aufbringt, seine Erfindung zu marktfähiger Serien- reife zu bringen; aber die internationale Allianz der ande- ren Auto-Tüftler kratzt schon an seinem Nimbus als „Erfinder“ des Automobils. Stillgestanden Wer fährt, muss auch mal bremsen. Die aus der Pferdefuhr- werk-Zeit übernommenen Techniken sind der steigenden Fahrzeuggeschwindigkeit bald nicht mehr gewachsen. Außenbandbremsen, die über die Kardanwelle wirken, taugen ebenso wenig für ernsthafte Verzögerung wie Klotzbremsen an den Rädern. Die erste taugliche Trom- melbremse fürs Auto konstruiert der Deutsche Wilhelm Maybach; eingesetzt wird sie 1900 in einem Mercedes. Joel H. Hendrick und Arthur H. Fay aus Massachusetts las- sen sich 1894 eine Scheibenbremse für Fahrräder paten- tieren. Acht Jahre später erhält der Brite Frederick W. Lan- chester das Patent für seine Scheibenbremse, die er ab 1905 in seinen Autos serienmäßig ein- Fortsetzung ››› Motorjournalist Edition 2019 35

Den ersten Pkw mit vier Scheibenbremsen präsentiert schließlich der Amerikaner Preston T. Tucker 2 1948 in sei- nem Modell Torpedo. Dass Bremsen möglichst gleichmäßig wirken sollen, ist ein bekanntes, aber lange ungelöstes Problem. 1903 bean- tragt der Franzose Paul Hallot ein Patent für einen Eisen- bahn-Bremskraftregler, aber es dauerte fast drei Jahr- zehnte, bis der deutsche Konstrukteur Karl Wessel ein Patent auf einen Bremskraftregler für Kraftfahrzeuge erhält. 1940 führt dann Fritz Ostwald erfolgreich einen elektromechanischen Bremsregler vor. Von da ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Blockierver- hinderer. In den USA entwickelt Vincent Hugo Bendix sol- che Geräte zuerst für Flugzeuge, damit sie beim starken Abbremsen nach der Landung in der Spur bleiben. Dann greift die Autoindustrie die Idee auf, die schließlich zum allseits bekannten Anti-Blockier-System (ABS) führt. Die britische Minifirma Jensen stellt 1966 mit dem Jensen FF den ersten Pkw mit serienmäßigem ABS vor. Durchblick Wer zügig fährt, muss auch bei Regen gut sehen. Das Pro- blem ruft viele Tüftler auf den Plan und so ist auch der Scheibenwischer ein Kind mit vielen Vätern. Der Amerika- ner George J. Capewell bekommt 1896 ein Patent für ein „automated, motorised, wiper for cars.“ In Europa stammt der erste Entwurf vom Polen Józef Hofmann, der neben einer fabelhaften Konzertkarriere genügend Zeit findet, sich intensiv mit der Verbesserung des Automobils zu beschäftigen, wofür er zahlreiche Patente erhält. Im Jahre 1903 beantragen gleich drei Personen Patente für Auto-Scheibenwischer: die Amerikanerin Mary Ander- son und ihr Landsmann Robert Douglass sowie der Ire John Apjohn. Mary Anderson macht das Rennen und erhält 1903 das Patent für ihr „window cleaning device“. Dass 1905 Heinrich von Preußen, Bruder von Kaiser Wil- helm II., als erster Deutscher ein solches System zum Patent anmeldet, ist eine hierzulande gerne kolportierte Anekdote. 1921 erfindet der Amerikaner William Folberth mechanische Scheibenwischer, die durch Unterdruck, den der Automotor erzeugt, in Bewegung kommen. Die eher unzuverlässigen mechanischen Systeme werden nach und nach vom elektrisch betriebenen Scheibenwischer verdrängt, den die deutsche Firma Robert Bosch 1926 vor- stellt. Dann tut sich lange Zeit nichts, bis 1964 der US-Profes- sor Robert Kearns, den Intervallscheibenwischer erfindet. In diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben darf die technische Entwicklung der Windschutzscheibe, auf der all Noch nicht fürs Auto: die erste Scheibenbremse für ein Fahrrad wurde 1894 patentiert Gewann das PatentWettrennen im Amerika: Scheibenwischer von Mary Anderson baut. Doch die billiger zu produzierende Trommelbremse dominiert lange. Immer neu Modifikationen (Simplex-, Duplex-, Duo-Duplex-Bremsen) bringen ebenso Verbes- serungen wie die Einführung der hydraulischen Bremse oder der Bremskraftverstärker. Anfangs wirken Bremsen nur auf die Hinterräder. Erst 1924 gibt es im Model „Horch 10“ eine Vierradbremse. 2 Dem überzeugten Verfechter der Autosicherheit widmet sich ein eigener Beitrag auf S. 39 36 Motorjournalist Edition 2019

die ausgeklügelten Scheibenwischer agieren. Lange Zeit besteht der Windschutz vor dem Fahrer aus schlichtem Glas – mit allen negativen Folgen. Dabei gibt es schon seit Beginn des vorigen Jahrhunderts eine Lösung: Sicherheitsglas. Seine Erfindung beruht auf einem eher unglücklichen Zufall. Dem französische Chemiker Édouard Bénédictus fällt 1903 ein Glaskolben runter, in dem zuvor Zelluloid verdampft ist. Doch das Glas zersplittert nicht und Béné- dictus folgert, dass das wohl an der dünnen, aufgedampf- ten Plastikschicht liegt. Nach zahlreichen Experimenten beantragt er 1909 ein Patent auf sein laminiertes Glas. Der Engländer John Crew Woodist ist allerdings bei der Anmeldung schneller und erhält für eine ganz ähnliche Idee schon 1905 sein Patent. Die Automobilindustrie zeigt aufgrund der Kosten jedoch am Sicherheitsglas wenig Interesse und lässt ihre Kunden lieber bluten. Festgezurrt Autofahrer und Passagiere bei Unfällen zu schützen ist ein Urproblem des Kraftverkehrs. Die Idee, dazu einen sichernden Gurt zu verwenden, wird erstmals 1902 im Rekordwagen Baker Torpedo realisiert. Das erste Patent auf einen Vierpunkt-Gurt erhält der Franzose Gustave- Désiré Leveau 1903. Zeitgleich entwickelt Louis Renault einen Fünfpunkt-Gurt. Doch die Gurte sind in der Handhabung unpraktisch und deshalb unbeliebt. So ist auch Preston T. Tucker seiner Zeit voraus, als er 1948 seine Autos auf Vorder- und Rücksitzen mit Zweipunktgurten ausrüstet. Für ein ähnliches System erhält 1955 Roger W. Griswold ein US-Patent. Durchsetzen kann sich keines dieser Systeme, denn den Fehler, womöglich unter dem Gurt durchzurutschen (Sub- marining) teilen sich beide. Dieser Mangel wird erst restlos behoben, als 1959 der schwedische Volvo-Ingenieur Nils Ivar Bohlin den Dreipunkt-Sicherheitsgurt patentieren lässt. Seine Erfindung wählte 1985 das Deutsche Patent- amt als eine der acht Erfindungen, die „der Menschheit in den letzten 100 Jahren den größten Nutzen brachten“. Knalltüte Der Deutsche Walter Linderer ist einer der Pioniere bei der Entwicklung des Airbags. Er legt 1951 seine Erfindung im Patentamt vor. Unter der Überschrift „Einrichtung zum Schutze von in Fahrzeugen befindlichen Personen gegen Verletzungen bei Zusammenstößen” beschreibt er samt Zeichnung, die einen Mann vor einem aufgeblasenen Sack zeigt, seine revolutionäre Idee. Etwa zeitgleich wird ein ähnliches System von John W. Hendrik in den USA patentiert. Beide Systeme sind jedoch noch nicht praxis- tauglich. Mit Pressluft dauert es zu lange, die schützende Knalltüte rechtzeitig zu füllen. Dennoch tauchen diverse Versionen von Airbags auf- grund gestiegenen Sicherheitsbewusstseins in den 1970- er Jahren in USA auf. Dort heißen sie Air Cushion Restraint Simple Skizze einer großen Idee System und man arbeitet bereits mit pyrotechnischen Mitteln, um die Füllung der Luftsäcke inner- halb von Millisekunden zu errei- chen. Für einige Oldsmobile- Modelle, Buick Elec tra und Ri viera oder Cadillac sind sie erhältlich. Doch die Nachfrage ist so gering, dass sie ab 1976 nicht mehr angeboten werden. Anders die Entwicklung in Europa. Hier teilen sich die Herren Helmut Patzelt, Gerhard Schiesterl und Albert Seybold bei der Daimler-Benz AG den Ruhm, eine serienreife „Aufprallschutzvorrichtung für den Insassen eines Kraftfahrzeugs“ ersonnen zu haben, die 1971 paten- tiert wird. Zehn Jahre danach läuft als erstes deutsches Auto ein Mercedes (S-Klasse) mit Airbag vom Band. Dann ist sein Siegeszug nicht mehr aufzuhalten. In modernen Autos ist rund ein Dutzend Knalltüten unterschiedlicher Größe und Wirkungsweise untergebracht. Ebenfalls aus dem Hause Daimler stammt eine recht unscheinbare aber höchst wirkungsvolle Erfindung: die Sicherheitslenksäule. Die Idee dazu hat 1947 der multi- nationale Konstrukteur Béla Barényi (Siehe S. 38). Als Mer- cedes-Ingenieur entwickelt er sie zur Serienreife und 1959 wird die Sicherheitslenksäule zum ersten Mal bei Merce- des verbaut – zusammen mit der ersten „Knautschzone“, eine ebenfalls von Barényi erdachte Konstruktion. Achtung! Jeder (Auto-)Radiohörer kennt ihn: den nervigen Pfeifton, der mitunter das schönste Musikstück stört, um den Ver- kehrsfunk anzukündigen. Diesen „Hinz-Triller“ verdanken wir Werner Hinz, einst Technischer Direktor beim Deutsch- landfunk in Köln. Er entwickelte 1970 zusammen mit VdM- Dieselring-Träger Peter Brägas von der Firma Blaupunkt das System der Autofahrer-Rundfunk-Information (ARI). Diese Einrichtung, deren Einführung die Rundfunkanstal- ten nur widerwillig folgen, heißt heute schlicht Verkehrs- funk. Bayern 3 gab den Vorreiter und führte ihn im April 1971 ein. Der Verkehrsfunk im Laufe der Jahre hat sicher zahllose Unfälle verhindert. Eigentlich ist der Hinz-Triller heute technisch nicht mehr nötig, doch er hat seine Berech- tigung noch immer: Er ist so markant, dass er auch bei leise gestelltem Radio auffällt. Er ist eben sicher – und darauf kommt es beim Verkehr ja an. /// fps Motorjournalist Edition 2019 37

FOTO: fps Fortsetzung ››› Sicherer Traumwagen Preston Thomas Tucker, hierzulande weitgehend unbekannt, ist ein Mann, der wie kaum ein Zweiter für die Idee von mehr Fahrzeugsicherheit steht. Preston T. Tucker, 1903 im US-Bundesstaat Michi- gan geboren, war von klein auf ein Autonarr. Nach einigen mehr oder weniger erfolgreichen Aktivitäten im Auto- und Flugzeugbusiness stieg er schließlich selbst in den Automobilbau ein. Mit dem ersten Modell „Torpedo“, das er in Eigen- regie konstruiert und für das ihm der De signer Alex Tremulis innerhalb von sechs Tagen einen Entwurf gezeichnet hatte, wollte Tucker groß ins Geschäft kommen. 1946 stellte das US-Magazin „Science Illustrated” das Auto vor: ein Fahrzeug durchaus im Stil der Zeit – groß, schwer, chrom- behangen –, aber mit unzähligen Neuheiten voll- gestopft und vor allem für damalige Zeiten sehr auf Sicherheit getrimmt. Denn trotz des eher martialischen Namens fiel der Tucker Torpedo vor allem durch seine Sicherheitsfeatures auf, die bis dato noch nie in einem einzigen Auto versammelt waren. So zeichnete sich der als „Car of Tomorrow“ beworbene Wagen bereits durch folgende Sicherheitsmerkmale aus: Mann mit Weitblick: Preston T. Tucker FOTO: WIKIMEDIA / THE TUCKER AUTOMOBILE CLUB OF AMERICA INC. ››› Durchgängig Scheiben aus Sicherheitsglas. ››› Eine Windschutzscheibe, die beim Aufprall noch außen fällt, um die Insassen nicht zu verletzten. ››› Ein gepolstertes Armaturenbrett und Aufprallschutz am Lenkrad. ››› Sicherheitsgurte für die Frontpassagiere. ››› Scheibenbremsen an allen vier Rädern. ››› Ein Kurvenlicht, mittig in einem eigenen Gehäuse montiert („Zyklopenauge“) folgte den Lenkradeinschlägen und leuchtet so die Kurven besser aus. Fortsetzung ››› Motorjournalist Edition 2019 39

FOTO: fps FOTO: fps Das waren alles Dinge, die erst nach und nach in andere Autos einzogen. Inzwischen zählen sie zwar längst zum Standardreper- toire des Autobaus. Doch 1948 war der inzwischen entsprechend dem Produktions- start in Tucker ‘48 umbenannte Wagen mit seinem Konzept eines der fortschrittlichsten Fahrzeuge und in diesen Punkten seiner Zeit weit voraus. Zu sicher für die damalige Zeit Natürlich sollte der Tucker 48 auch einen eigens entwickelten Motor bekommen, doch das Projekt blieb stecken. Der Versuch, Motoren anderer Hersteller zu beziehen, 40 Motorjournalist Edition 2019 scheiterte an diversen Intri- gen und so kaufte Tucker in seiner Not eine Flugmotoren- firma auf. Die hatte einen leichten, aber fast 165 PS starken 5,5-l-Sechszylinder- Boxermotor mit Saugrohrein- spritzung im Programm, der im Tucker-Heck eine neue Heimat fand. Tucker, der ein genialer, fast besessener Autokonstruk- teur, aber ein lausiger Geschäftsmann war, kämpfte bei seinem Projekt permanent mit Geldmangel. Nur mit zahlreichen, unter anderem staatlichen Krediten konnte er sein Werk am Leben erhalten. Das wurde ihm schließlich zum Verhängnis. Denn mit sei- nem fanatischen Werben um mehr Insassen- sicherheit legte Tucker sich mit den dama- ligen „Big Three“ (Chrysler, Ford und General Motors) des amerikanischen Marktes an. Denen war der aufmüpfige Möchtegern- Autofabrikant ein Dorn im Auge, denn die machten prächtige Geschäfte mit Fahrzeu- gen, die auf all die teuren Sicherheits- features verzichteten. Bis heute halten sich die Gerüchte, dass die Big Three nur mit Hilfe schmutziger Tricks Tucker schließlich vor Gericht brachten. Dort wurde er vor der United States Securities and Exchange Commission (SEC) wegen Steuerhinterziehung angeklagt. In einem dramatischen Prozess, in dem es Tucker gelang, bis zum gerichtlich fest- gelegten Stichtag 50 fertig produzierte Fahr- zeuge vorzuführen, entkräftete er zwar die Vorwürfe und wurde freigesprochen, doch eine Serienproduktion konnte er nicht mehr aufbauen. So blieb der Tucker 48 der Traum- wagen eines Mannes, der leidenschaftlich für bessere, weil sicherere Autos gekämpft hatte. Insgesamt hatte die Tucker Corporation in den zwei Jahren ihres Bestehens nur 51 Fahr- zeuge produziert. 47 sollen noch existieren; die meisten in Privatbesitz. Die Chance, einen Tucker 48 in einem Museum oder gar in freier Wildbahn zu sehen, ist deshalb äußerst gering. Es gibt aber einen Film mit Jeff Bridges in der Hauptrolle, der den leiden- schaftlichen Einsatz von Preston Thomas Tucker zeigt; in diesem Streifen, mit dem schlichten Titel „Tucker – Ein Mann und sein Traum“ sind zahlreiche Tucker 48 zu sehen. /// fps

Wie sich der Beruf des Kfz-Mechanikers zum Kfz-Mechatroniker gewandelt hat Alles begann im Jahr 1934. In jenem Jahr gab es 983 994 Motorräder und 661 773 Automo- bile im Deutschen Reich. Im gleichen Jahr erließ das Deutsche Reich die Verordnung über den vorläufigen Aufbau des Deutschen Handwerks, die das Kfz-Handwerk erstmals als selbstständiges Handwerk mit folgenden Fachgruppen aufführt: ››› Kfz-Instandsetzung ››› Kfz-Elektrohandwerk ››› Vulkaniseure ››› Zylinder- und Kurbelwellenschleifereien Damals allerdings war Kfz-Schlosser ein Beruf, der dem Metallgewerbe zugerechnet wurde. Seit den sechziger Jahren nahm die Anzahl der Automobile allerdings stark zu und damit auch die Anzahl jener Leute, die dafür sorgen mussten, dass die automobilen Untersätze ihren Zweck auf Dauer erfüllten. Und heute: Am 1.1.2018 betrug der Fahrzeugbestand Deutschlands 63,7 Millionen Krfatfahrzeuge, davon waren 46,5 Millionen Pkw. Das Kfz-Mechaniker- und das Kfz-Elektriker- handwerk wurden 1998 zum Kfz-Techniker- handwerk zusammengefasst. Der Kfz-Fach- mann ist seither kein Unterberuf des Metallbereichs mehr, sondern gilt als eigen- ständige Qualifikation. Mit der Veröffent- lichung der Ausbildungsordnung im Bundes- gesetzblatt 2003 wurde der neue Beruf Kfz-Mechatroniker amtlich. Der Kfz-Mechatro- niker ersetzt den Kfz-Mechaniker und -Elektri- ker. Und wenn sich das Berufsbild ändert, muss sich logischerweise auch die Ausbildung ändern. Inzwischen ist ein erheblicher Teil Elektrik und Elektronik im Berufsbild inte- griert. Das Thema Elektrik wird in Zukunft noch stärker gewichtet werden müssen, denn ein Teil der Fahrzeugflotte fährt in Zukunft elektrisch. 2013 wurden die Lernfelder für den Beruf des Kfz-Mechatronikers überarbeitet. Im Juni jenen Jahres erhielt der damals seit zehn Jahren existierende Kfz-Mechatroniker eine neue Ausbildungsordnung. Die Inhalte der einzelnen Lernfelder kann man im Landesbil- dungsserver Baden-Württemberg unter www. kfz-mechatronik.de/lernfelder nachlesen. Die Entwicklung der Kfz-Berufe Heute gibt es folgende fünf Schwerpunkte: ››› Personenkraftwagentechnik ››› Nutzfahrzeugtechnik ››› Motorradtechnik ››› System und Hochvolttechnik ››› Karosserietechnik Entwicklung von Kfz-Nischenberufen Eines aber ist klar: Ausbildungsberufe müssen zukunftssicher sein. Immer mehr Personen mit der klassischen Ausbildung zum Kfz-Mecha- niker oder Kfz-Schlosser gehen altershalber in Rente. Bei Young- und Oldtimer werden die klassischen Techniken eines Kfz-Mechanikers gefordert. Gemeint sind hier der Kfz-Mechani- ker (Handwerk) oder Kfz-Schlosser (Industrie), wie er in den Jahren 1973 bis 2003 ausgebildet wurde, mit einem großen Anteil Metalltechnik. Deshalb ist es sinnvoll, die für die Instandhal- tung von Young- und Oldtimern notwendige Fertigkeiten und das Know-how rechtzeitig an junge und engagierte Menschen weiter zu geben. Die Kfz-Innung Stuttgart beispiels- weise gibt Kfz-Mechanikern die Möglichkeit, die Zusatzqualifikation in der Aktion „Wir kön- nen Oldtimer“ zu erwerben. Dazu erhalten sie in verschiedenen Schulen der Region eine Zusatzausbildung. Daneben werden auch Werkstätten mit dem Zertifikat versehen, wenn sie mindestens einen zu 75 Prozent mit Arbeiten an Old- und Youngtimern ausgelas- Fortsetzung ››› teten Kfz-Gesellen haben. Optische Achsvermessung in den 60er Jahren Mess und Diagnosetechnik in den 70er Jahren Motorjournalist Edition 2019 41

FOTOS: ZDK, PROMOTOR Nur vier Prozent der KfzMechatroniker sind weiblich. Aber meist wissen sie ziemlich genau, wo‘s lang geht Kein Schmiermaxe steht hier in der Werkstatt, sondern ein gut ausgebildeter Facharbeiter, der hochkomplexe Systeme verstehen und in Stand halten muss Zertifizierte KfzBetriebe erhalten das Zertifikat: „Fachbetrieb für historische Fahrzeuge“ Dieselringträger als Kfz-Profis Beispiele für die erfolgreiche Weiterbildung und Weiterentwicklung von Kfz-Lehrlingen finden wir auch bei den Trägern des Goldenen VdM-Dieselrings: FOTO: PRIVAT Dietmar Otte (Dieselring 2010) war am Anfang seiner Karriere Kfz- Lehrling und schloss sein Berufsleben als Professor an der Medizinischen Hochschule Hannover / Unfallchirurgische Klinik als Unfallforscher ab. Auch Siegfried Brockmann, der diesjährige Dieselring- träger, war am Anfang seiner Karriere Kfz- Lehrling. Heute ist er Leiter der Unfall- forschung der Versicherer (UDV). FOTO: UDV 42 Motorjournalist Edition 2019 Frühzeitig auf den Beruf vorbereiten Technikverständnis gewann die Jugend frü- her dadurch, dass sie ohne teures Spezial- werkzeug an Autos schrauben konnten. Heute ist es viel schwieriger, als Jugendlicher am System Automobil Erfahrungen zu sam- meln. Allein der Erwerb eines Diagnosetes- ters – ohne den nur sehr wenig machbar ist – sprengt das Taschengeldbudget. Während früher handwerkliches Geschick und prakti- sche Erfahrung ausreichten, muss sich ein heutiger Kfz-Mechatroniker mit physikali- schen und chemischen Zusammenhängen auskennen, wenn er im Beruf erfolgreich sein will. Um das komplexe System Automo- bil zu verstehen und zum Beispiel Schalt- pläne zu lesen, gehört ein gehöriges Maß an theoretischem Verständnis zur Grundlage der Ausbildung. Deshalb muss schon in der Schule naturwissenschaftliches Denken gefördert werden. Der Zentralverband des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes ZDK för- dert deshalb den naturwissenschaftlichen Unterricht in den Klassenstufen 1 bis 10 durch Foliensätze, die sich Lehrer herunter- laden oder bestellen können:

Entwicklung der Ausbildungszahlen der Kfz-Mechatroniker und Automobilkaufleute ins Verhältnis gesetzt zu allen neuen Berufsausbildungsverträgen in Deutschland QUELLE: BUNDESINSTITUT FÜR BERUFSBILDUNG, ZDK Tabelle der neuen Ausbildungsverträge für Kfz-Mechatroniker Jahr Kfz-Mechatroniker Automobilkaufleute im Kfz-Gewerbe gesamt 2011 20 515 4 400 24 915 2012 2013 2014 2015 2016 2017 20 052 19 287 20 190 20 709 21 459 22 221 4 419 3 975 4 371 4 599 5 130 5 300 2018 23 415 5 445 24 471 23 262 24 561 25 308 26 589 27 521 28 860 Alle Berufe 570 140 551 271 530 715 522 231 522 162 520 272 523 290 531 414 ››› Chemie am Auto ››› Physik am Auto dungsberuf Automobilkaufmann/-frau wur- den 5 445 neue Azubis eingestellt. Im Augenblick drängen mehr Jugendliche auf den Arbeitsmarkt als 2017. Denn auch Migranten – vor allem männliche Jugend- liche – möchten eine Ausbildung. Da ein Jugendlicher etwa 18 Jahre alt ist, bis er mit seiner Berufsausbildung anfangen kann, sollte niemand in Staat und Wirtschaft über- rascht sein, wie sich die Anzahl der Berufs- ausbildungsver träge ent wickelt. Alle Jugend lichen, die im Jahr 2037 in Studium oder Berufsleben eintreten, sind uns schon heute bekannt. Da voraussichtlich weniger Jugendliche ins Berufsleben drängen, stellt sich nun auch für das Kfz-Gewerbe die Frage, wie es genügend Jugendliche für die zukünf- tige Sicherung des Arbeitskräftebedarfs in den Betrieben erhält? Kfz-Mechatroniker ist die Nummer 1 Allerdings sollte es der Wirtschaft nicht nur um die Ausbildung, sondern auch um die nachfolgende Übernahme in den Betrieb gehen. 74 Prozent der Jugendlichen aus Kfz- Berufen werden nach der Ausbildung vom Betrieb übernommen, dabei ist die Über- nahmequote in den alten Bundesländern höher als in den Neuen. Im Augenblick gibt es einige Berufsgruppen, bei denen die neuen Ausbildungsabschlüsse seit Septem- ber 2018 kräftig gesunken sind. Dies trifft auf die Ausbildungszahlen im Deutschen Kfz-Gewerbe nicht zu. Laut aktueller Statis- tik des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) unterschrieben rund 23 415 Ausbil- dungswillige bis zum Stichtag 30. Septem- ber 2018 einen Lehrvertrag zum Kfz-Mecha- troniker, 5,4 Prozent mehr als im Jahr 2017 (22 221 Jugendliche). Übrigens: Im Ausbil- Der viertbeliebteste Ausbildungsberuf ist der Kfz-Mechatroniker, nach Kaufmann/- frau für Büromanagement, Kaufmann/-frau im Einzelhandel und Verkäufer/in. Betrach- tet man nur die Männer, steht der Kfz- Mechatroniker sogar auf Rang 1. Der Beruf des Automobilkaufmanns verzeichnet seit mehreren Jahren einen positiven Trend. Die 5 445 neuen Ausbildungsverträgen bedeu- ten im Vergleich zum Vorjahr (5292) eine Steigerung von 2,9 Prozent. Hier ist im Gegensatz zum Kfz-Mechatroniker auch mit 48 Prozent Anteil die Frauenquote sehr viel höher. 2017 betrug der Frauenanteil noch 47 Prozent. Der Kfz-Mechatroniker gilt immer noch als typischer Männerberuf. „Leider haben sich nur vier Prozent der jungen Frauen für den Beruf entschieden“, so Birgit Behrens, Geschäftsführerin Berufsbildung beim ZDK. Weitere Automobilberufe sind der Mechani- ker für Karosserieinstandhaltungstechnik und Fahrzeuglackierer. Diese Berufe sind aber in einem eigenen Zentralverband organisiert. Auch im Vergleich zum Gesamthandwerk steht die Branche gut da. Von den 145 308 angebotenen Ausbildungsplätzen im Hand- werk entfallen allein rund 23 415 und damit 16,1 Prozent auf den Beruf des Kfz-Mecha- tronikers. 3,7 Prozent der frischgebackenen Auszubildenden sind Automobilkaufleute. Insgesamt stellte 2018 das Kfz-Handwerk fast 20 Prozent aller neuen Handwerkslehr- linge ein. „Damit zählt das Kfz-Gewerbe zu den größten Ausbildern im Handwerk“, betont Birgit Behrens. Verglichen mit anderen Berufen liegt die Ausbildungsvergütung der Kfz-Mechatroni- ker-Lehrling im unteren Drittel. Der Durch- schnittsverdienst beträgt 783 Euro monat- lich. Im ersten Jahr verdient man so etwa 700, im zweiten Jahr 750, im dritten Jahr 800 und in den letzten sechs Monaten 850 Euro. Im Westen Deutschlands bekommt ein Kfz- Mechatroniker 796 Euro. Im Osten Deutsch- lands verdient er 699 Euro. Der ausgebildete Kfz-Mechatroniker verdient monatlich zwi- schen 1600 und 2300 Euro brutto. Meister verdienen zwischen 1800 und 3800 Euro brutto. Möchte das Kfz-Gewerbe hochquali- fizierte und auch leistungsfähige und leis- tungswillige Mitarbeiter gewinnen, ist eine bessere Bezahlung ein gutes Instrument dafür. Gleichzeitig muss es möglich sein, dass sich ein Geselle weiterentwickeln kann. Nach der Ausbildung kann ein Kfz-Mechatroniker… ››› Kraftfahrzeuge inklusive der Systeme instand setzen. ››› Arbeitsabläufe planen und kontrollieren und Arbeitsergebnisse bewerten. ››› Fehler und Störungen diagnostizieren und deren Ursachen beurteilen. ››› Fahrzeuge aus-, um- und nachrüsten. ››› Kundengespräche führen. ››› qualitätssichernde Maßnahmen anwenden. ››› Kraftfahrzeuge warten. ››› mit Zusatzausbildung Kfz-Servicetechniker werden. ››› nach der Gesellenzeit Meister werden, wobei die Ausbildung zum Servicetechniker als praktische Meisterprüfung anerkannt wird. ››› Techniker des Kfz-Handwerks werden. /// Gottfried Weitbrecht Motorjournalist Edition 2019 43

FOTO: ADOBE Karosserieschäden zu reparieren, war und ist bei Oldtimern eine simple Sache: Geradeziehen oder rausklopfen, Teile rausflexen und neue einschweißen sind gängige Methoden und lassen sich auch von weniger qualifizierten Werkstätten erledigen. Moderne Autos jedoch verlangen bei der Karosseriereparatur nach dem Spezialisten. Karosserie- Instandsetzung im Wandel der Zeit Zur Einführung in die komplexe Thematik ein Vergleich: Wer eine gerissene Naht an einem Lederfußball reparieren will, wird das nicht mit einem Schweißgerät versuchen. Was sich bei alltäglichen Dingen intuitiv von allein verbietet, gilt umso mehr, wenn es sich um technisch anspruchsvolle Pro- dukte wie eine Pkw-Karosserie handelt. Das Verständnis dafür ist aber nicht überall vorhanden, zumal zwischen frü- her und heute bei einer Karosserie-Bearbeitung zunächst keine Unterschiede auffallen. Wer Karosserieblech – egal welcher Sorte und Qualität – schleift, sieht, dass es blank wird. Auch Schutzgasschweißen wird mehr oder weniger gelingen. Doch was passiert während des Schweißens oder beim „warmen“ Rückformen mit dem Karosserieteil? Im gleichen Atemzug ist zu hinterfragen, welche Aus- wirkungen die Wärmeeinbringung auf das künftige Crash- verhalten eines unbedarft reparierten Pkw hat. Wie bei dem Beispiel Fußball deutlich wird, orientiert sich die Reparaturmethode für eine Fahrzeug-Karosserie – überge- ordnet betrachtet – immer an zumindest zwei Merkmalen: ››› Vorhandenes Material ››› Uneingeschränkte Nutzung nach der Reparatur (wie im Neuzustand). Die Karosserie-Entwickler arbeiten heutzutage nach dem Grundsatz: Definiere den Einsatzfall und wähle das pas- sende Material. Es wird also mit der Frage nach den Karos- serie-Anforderungen begonnen. Gesamt-Anforderungen an eine Pkw-Karosserie Die Karosserie-Fertigungskosten stehen zwar ganz oben auf der Prioritätenliste. Doch die Fahrzeugsicherheit erhält einen immer größeren Stellenwert. Dafür sorgen 44 Motorjournalist Edition 2019

die Crash-Tests, deren Ergebnisse zunehmend das Käufer- verhalten beeinflussen. Auf europäischer Ebene ist das der Euro NCAP-Tests (European New Car Assessment Pro- grams = Europäische Neufahrzeug-Bewertungspro- gramm). Grundlage dazu war die Bewertung des Insassen- Schutzes während eines Fahrzeug-Unfalls. Später kam der Fußgängerschutz hinzu. Ab 2020 soll auch die Crash-Kom- patibilität in die 5-Sterne-Bewertung einfließen. Gemeint ist damit, dass der Smart-Fahrer eine Überlebenschance haben soll, wenn er von einem mehr als zwei Tonnen schweren Fahrzeug der Oberklasse gerammt wird. Die alleinige Verstärkung einer Karosserie durch dickere und zusätzliche Karosseriebleche ist also nicht mehr oppor- tun, wenn die Crash-Sicherheit unter Berücksichtigung der komplexen Anforderungen erhöht werden soll. Zudem konterkarieren solche Maßnahmen das Leichtbau-Ziel. Karosserie-Sicherheit und -Leichtbau: Kein Widerspruch Um zu einer Lösung zu kommen, muss an zwei entschei- denden Parametern gleichzeitig gearbeitet werden: ››› Belastungsoptimierte Bauteil-Ausführungen ››› Intelligente Material-Eigenschaften. Für diese Entwicklung sahen sich aus alter Tradition he raus erst einmal die Stahlhersteller verantwortlich. Diese wur- den Anfang der 1990er-Jahre durch den Audi A8 mit Alumi- nium-Karosserie aufgerüttelt. Es entstand das Zauberwort „Crash-Management“. Über die NCAP Crash-Test-Anforde- rungen hinaus sind hierbei folgende Ansprüche zu erfüllen: ››› Optimaler Schutz für die Fahrzeug-Insassen und eventuell betroffene Fußgänger ››› Weitgehende Crash-Kompatibilität zwischen zwei Fahrzeugen ››› Gleiches Verhalten der Karosserie bei einem erneuten Crash nach einer Instandsetzung ››› Niedrige Instandsetzungskosten. Die Aufprall-Energie muss durch Material-Umformung und über die Länge des Verformungswegs schnell abge- baut werden. In der Praxis werden daher sowohl die Bau- teil-Gestaltung als auch die Materialauswahl nach der Höhe der Aufprallgeschwindigkeit festgelegt. Die hohe Kunst des Crash-Managements ist es jetzt, die Geschwindigkeits-abhängigen Karosseriepartien als Soll- Verformungsbereiche festzulegen und, soweit möglich, mit „Karosserie-Opferteilen“ zu bestücken. Dadurch kön- nen klare, auf die Unfallschwere bezogene Reparatur- Methoden festgelegt und die Instandsetzungskosten reduziert werden – sowohl von der Front als auch vom Heck des Pkws aus betrachtet: 1. Stoßstange mit dahinter liegender Crashbox (Aufpralltopf), 2. Längsträger mit Deformationspartie im Anschluss an die Crashbox, 3. Fahrgastzelle. Gegenläufige Anforderungen an Pkw-Karosserien GRAFIK: DAMSCHEN In Verbindung mit den drei Crash-Zonen sorgen drei Last- pfade dafür, dass sich die Crash-Energie verteilen und abbauen kann. Karosserie-Leichtbau-Materialien Nachdem die konstruktive Sicherheit geplant ist, sind die Karosserie-Materialien festzulegen. Früher wurden üb licherweise nur wenige Stahl-Qualitäten für die kom- plette Karosserie eingesetzt (z.B. St 12 bis St 14). Die Mate- rial-Auswahl ist aber auch eine Frage des Dehnvermögens der Stahl-Qualität. Je härter ein Material ist, umso leichter reißt es beim Tiefziehen, z.B. Federbeintopf. Heute beherrschen hoch-, höherfeste und ultrahoch- feste Karosseriestähle den Karosseriebau. Dabei wird Fortsetzung ››› selbst die „Duktilität“, also das Das CrashManagement teilt bei einem Unfall die Karosserie in drei Geschwindigkeits-Belastungsklassen auf. Dadurch erhöht sich der Insassenschutz und es entstehen kostengünstige Instandsetzungsmöglichkeiten GRAFIK: OPEL Motorjournalist Edition 2019 45 Service-& Werkstatt-FreundlichkeitKorrosions-SchutzFertigungskosten-ReduktionVerbrauchs- / CO2- /Feinstaub-ReduktionKarosserie-Leichtbaumit Crash-ManagementFahrzeugrecyclingMarktgerechtes StylingQualitäts-SicherungUnterhaltskosten-Minimierung Insassen-SicherheitFußgänger-SchutzCrash-Kompatibilität

Tiefziehvermögen positiv beeinflusst, um den Karosserie-Leichtbau optimal zu realisieren. Dies geschieht vornehm- lich durch passende Legierungszusätze und durch die „Warm-Umformung“ des herzustellenden Karosseriebauteils. Dadurch lassen sich hochfeste Stähle noch relativ gut ziehen. Darüber hinaus sind die Stahl- und Blechteilhersteller in der Lage, maßgeschneiderte Karos- serieteile aus unterschiedlichen Stahl- blech-Qualitäten und Materialdicken zu einem Bauteil per Laser-Schweißung zu verbinden. Die Fertigung einer kompletten Karos- serie-Seitenwand wird beispielsweise durch das Laser-Verbindungsschwei- ßen von fünf unterschiedlichen Stahl- Qualitäten mit differierenden Material- dicken vorgenommen. Platzierung der Stahl-Qualitäten innerhalb der Karosserie Nachdem ein Karosserie-Konstrukteur eine Fülle von „Stellschrauben“ zur Karosserie-Auslegung zur Verfü- gung hat, nutzt er diese, um jedes Bauteil zu optimie- ren. Was daraus entsteht, zeigt das Beispiel für den Golf VI. Diese Detailarbeit wird von Modell zu Modell verfeinert. Tailored Blanks (maßgeschneiderte Karosseriepartien) GRAFIK: FORD GRAFIK: VW Üppiger Materialmix an einem schon älteren Fahrzeug- modell mit überschaubaren Produktions-Stückzahlen 46 Motorjournalist Edition 2019 Material-Vielfalt beherrscht heute den Karosseriebau Die immer höher geschraubten Ansprüche zum Bau von sichereren und leichteren Karosserien haben das Mono- pol der Stahlbleche bröckeln lassen. Schon lange sind Leicht metalle und Kunststoffe in vielen Varianten verbaut. Daher wird heute von Hybrid-Karosserie-Materialien gesprochen (Stahl, Aluminium, Kunststoff) Die Grund- materialien entstehen durch unterschiedliche Fertigungs- verfahren oder Legierungen, die sie in ihren Eigenschaf- ten gezielt verändern. Karosserie-Instandsetzung im Überblick Füge- und Instandsetzungsarbeiten dürfen diese spe- ziellen Eigenschaften nicht verändern. Sowohl die unter- schiedlichen Materialien als auch die Herstellungsver- fahren der Bauteile haben Auswirkungen auf die zulässigen Reparaturverfahren. So darf zum Beispiel ein Aluminiumträger aus Strangguss, wie ihn Audi verwen- det, nicht rückgeformt werden, obwohl ein ähnliches Bauteil aus verschweißten Pressteilen in gewissen Gren- zen durchaus gerichtet werden darf (Honda NSX). Dies lässt sich auch auf die zulässigen Fügetechniken über- tragen. Schon bei den unterschiedlich hergestellten Stahlsorten, also nicht erst bei unterschiedlichen Basis- werkstoffen, muss der Hersteller festlegen, mit welchem Verfahren die Bauteile bei der Instandsetzung zu fügen sind: durch MIG-/MAG-Schweißen, MIG-Löten, Wider- standspunktschweißen oder kalt (z. B. Kleben/Nieten). Bei der Behandlung und Verbindung unterschiedlicher Materialien in einem Fügeflansch (Kleben, Nieten, Schrauben, RP-Schweißen, kombinierte Fügetechniken) gilt es entsprechende Grundlagen zu beachten. So ist der Fahrzeughersteller gemeinsam mit dem Mate- rial-Produzenten gefordert festzulegen, wie die Instand- setzung vorzunehmen ist, z.B.: ››› Rückformen ja / nein ››› Warmbehandlung ja / nein ››› Schweißen (Schutzgas- oder Widerstandspunkt) ››› MIG-Löten ››› Kleben ››› Nieten, oder ››› Kombinierte Fügeverfahren (Kleben – MIG-Löten, Nieten, Widerstandspunktschweißen) Ganz deutlich wurde der Einfluss auf die Reparatur- Methoden, nachdem die ersten Großserien-Fahrzeuge auf dem Markt waren. So sah sich Opel mit dem Modell Vec- tra-C als erster Fahrzeughersteller gezwungen, das MIG- Lötverfahren vorzuschreiben – mit genauer Spezifikation der Geräte und des Zusatz-Materials. Darüber hinaus wurde das Widerstandspunkt-Schweißverfahren mit neuen Schweißmaschinen erforderlich. Diese Maschinen müssen das zu schweißende Material selbst erkennen und daraufhin automatisch die richtigen Schweiß-Parameter einstellen (Stromstärke, Zangen-Anpressdruck und

Schweißpunkt-Vorbereitung durch Freibrennen von z.B. Klebstoffen). Als die Automatik anfänglich noch nicht zur Verfügung stand, war der Reparateur gefordert, je nach Karosserie-Bauteil, welches es zu fügen galt, die Schweiß- Parameter manuell einzustellen. Auswirkungen bei Nichtbeachtung der Instandsetzungs-Vorgaben Bei der Auswahl von Karosserie-Reparaturmethoden sind bei neuzeitlichen Pkw (etwa ab 1995) die Fahr- zeughersteller-Vorschriften kompromisslos einzuhal- ten. Wer das nicht macht, hat mit weitgehenden Kon- sequenzen zu rechnen. Bei den immer beliebter werdenden älteren Schätzchen mit dem „H“ im Kennzeichen, ist die Reparatursituation etwas entspannter. Hier wird die Karosserie noch in tra- gende, teilweise tragende und nicht-tragende Partien unterteilt. Höherfeste Stähle sind hier, wenn überhaupt, nur geringfügig eingesetzt. Somit lassen sich die traditio- nellen Karosserie-Instandsetzungstechniken weitgehend umsetzen (Originalteile, Überzieh-Reparaturbleche, selbst angefertigte Reparaturbleche, Innen und Außenschuh- Verstärkungen). Auch die Fügetechniken können vielfäl- unterschiedliche Materialien, gleiche Schweiß-Parameter HSS Ausgeknöpft: Punktgröße lt. Vorgabe TRIP-Stahl Spritzer, Sprödbruch Gute Verbindung Schweißfehler Hier handelt es sich um „höherfestes“ Karosseriematerial, unterschied licher Güte. Es reagiert bei Wärmeeinbringung unterschiedlich (schnell oder langsam). Hier wurden beide Materialien mit demselben Schweiß-Parameter gefügt. tiger eingesetzt werden, vom normalen Schutzgas- Schweißen über Nieten bis zum Kleben. Grundsätzlich zu beachten sind drei Faktoren: ››› Falls überhaupt Karosserie-Reparatur- Informationen vom Fahrzeughersteller vorliegen, sind diese einzuhalten. ››› Die Strukturfestigkeit der Karosserie muss erhalten bleiben (keine Nietverbindungen an Rahmenteilen). ››› Die Abnahme-Kriterien nach §29 StVZO haben das letzte Wort. Ausführlichere Informationen über die „Wirtschaftliche Instandsetzung von durchgerosteten Karosseriepartien“ sind dem Fachbuch „Karosserie, Reparatur & Lackierung“ zu entnehmen. /// Karl Damschen Ab einer Temperatur von ca. 450° C können bestimmte Qualitäten von hochfesten Stahlsorten ihre speziellen Festigkeitseigenschaften verlieren – das Problem für den Instandsetzer: Bei dieser Temperatur gibt es noch keine Material-Anlauffarben Dipl.Ing. Karl Damschen, VdM-Mitglied und lang jähriges VdM-Vorstandsmitglied, ist seit 1991 Inhaber eines selbst ständigen Ingenieurbüros. Er hat sich auf Unter nehmens beratung für Automotive Service technik und Prozesse spezialisiert. Als zertifizierter K&L-Berater und Trainer war er für Audi, BMW, Opel und Toyota tätig. Seit 1987 ist er VdM-Mitglied. Sein Fachbuch „Karosserie, Reparatur & Lackierung“, ist 2018 in 6. Auflage bei Vogel Business Media, Würzburg, erschienen. FOTO: PRIVAT Motorjournalist Edition 2019 47

FOTO: OPEL FOTO: MERCEDES Traditionspflege hat vor allem bei den deutschen Autoherstellern einen hohen Stellenwert, aber auch manche Importeure und Zulieferer unterstützen Besitzer von Young- und Oldtimern mit Know-how, Ersatzteilen und Serviceleistungen und engagieren sich auf Messen und Oldtimer-Veranstaltungen. Oldtimer auf der Straße halten Die BMW Group Classic betreut gleich alle FOTO: JAGUAR LAND ROVER Unter den Stuttgart Museen ist das Merce- des-Benz-Museum mit jährlich weit über 800.000 Besuchern pro Jahr mit Abstand der größte Besuchermagnet. Auf Platz zwei folgt mit knapp 450.000 Besuchern das Porsche Museum am Standort Zuffenhausen. Die bei- den Stuttgarter Hersteller engagieren sich seit vielen Jahren in der Traditionspflege. Eine eigene Abteilung, die Mercedes-Benz Classic, kümmert sich bei Mercedes um Fahr- zeugsammlung und Archiv, Service und Ersatzteile, betreibt neben dem Museum mit dem Classic Center einen großen Service- Betrieb für Oldtimer und ist Ansprechpart- ner für eine ganze Reihe von Markenclubs. Speziell geschulte Mercedes-Benz Classic- Partner unterstützen die Oldtimer-Besitzer vor Ort bei Reparaturen und mit Restaurie- rungen. Zudem fertigt Mercedes-Benz Clas- sic immer wieder stark nachgefragte Teile nach. Derzeit stehen nach Mercedes-Anga- ben rund 100.000 Originalteile für klassische Fahrzeuge zur Verfügung, die über eine Online-Teilesuche zugänglich sind. Ganz ähnlich ist auch Porsche mit seinem Bereich Porsche Classic aufgestellt. Das Angebot für Oldtimerbesitzer reicht von der Ersatzteilversorgung über technische Litera- tur bis zur Komplett- und Teilrestaurierung in der Porsche Classic Werksrestaurierung. Ein weltweites Netz aus Porsche Classic Part- nern und Classic Zentren bietet zudem Unterstützung vor Ort. Zudem werden Teile nachgefertigt oder moderne Technik Old- timer-Besitzern zugänglich gemacht, wie zum Beispiel ein Navigationsradio, das in die Armaturentafel der Sportwagen-Klassiker passt und im Design von Früher moderne Technik bietet. 48 Motorjournalist Edition 2019 Marken der Gruppe von Mini über BMW bis Rolls Royce und auch die BMW Motorräder. Der Unternehmensbereich präsentiert im BMW Museum in München die Geschichte der Marke und betreibt eine große Service- und Restaurierungswerkstatt. Hier können Oldtimer-Fans den Wert ihres klassischen BMW auch schätzen lassen. Der BMW Clas- sic Teile Shop listet online über 60.000 Teile-Positionen für klassische BMW Autos oder Motorräder. Opel in Rüsselsheim nennt seine Sammlung historischer Fahrzeuge „Opel Classic Werk- statt”. Seit 1998 ist die Opel-Technik- und Automobilgeschichte unter anderem im Backsteinbau K6 untergebracht, aus dem he raus ab 1928 die Autos mit dem Blitz in alle Welt versandt wurden. Mittlerweile können hier mehr als 600 Fahrzeuge, darunter auch Studien und Konzeptfahrzeuge, besichtigt werden. Auch Opel hat eine eigene Classic- Abteilung, die Oldtimer-Besitzer mit Informa- tionen aus dem Archiv unterstützt.

E H C S R O P : O T O F werden ältere Lagerbestände zugänglich gemacht und gefragte Teile auch nachgefer- tigt. Ganz ähnliche bei Audi, wo die Klassik- Sparte „Audi Tradition“ heißt und über einen umfang reichen Online-Teilekatalog verfügt. Bei den Importeuren ist das Engagement für historische Fahrzeuge in Deutschland in der Regel weniger stark. Deren Auto-Museen sind eher an den Stammsitzen zu finden. Aber auch in Deutschland gibt es bei einigen Marken Unterstützung für Oldtimer-Fans. So wurde in Essen im Mai 2018 das Jaguar Land Rover Classic Center eröffnet, mit Werkstatt für Service und Restaurierung, Fahrzeugaus- stellung und Oldtimer-Verkauf. Mit Land Rover Classic gibt es eine spezialisierte Unternehmensabteilung, die für Ersatzteile, Service, Verkauf und die Veranstaltungs- teilnahmen sorgt. Die PSA-Klassikabteilung „L´Aventure Peu- geot Citroen DS“ kümmert sich unter ande- rem um die Ersatzteilversorgung zum Bei- spiel aus alten Lagerbeständen. Zudem werden gefragte Teile auch nachgefertigt. Etwa 120.000 Ersatzteile umfasst aktuell der Bestand, der permanent ausgebaut wird. Volvo präsentiert seine Geschichte in einem Werksmuseum in Göteborg. Dort befindet sich auch die kleine Klassikabteilung, die Öffentlichkeitsarbeit macht und die Teil- nahme von Volvo-Oldtimern an Veranstal- tungen organisiert. Die Initiative Mazda Classic Competence bei einzelnen Händlern unterstützt Mazda- Kunden bei der Restaurierung und Instand- setzung von Young- und Oldtimer. In einer Datenbank kann in einem händlerüber- greifen Teilepool gesucht werden. Außer- dem steht ein Archiv mit technischer Litera- tur zur Verfügung. In Einzel fällen werden FOTO:TOYOTA auch Teile nachgefertigt, wie zum Beispiel nachgefragte Motorteile des Kreiskolben- motor der RX-7 Modelle. Seit Mai 2017 prä- sentiert das Mazda Classic Automobil- museum Frey mit bis zu 50 Fahrzeugen die Meilensteine der Marke. Auch Toyota ver- fügt mit der Toyota Collection in Köln über ein Aushängeschild der Marke. In der Pres- seabteilung kümmert sich ein kleines Team um die Markenpflege. Ausgesprochen engagiert ist auch die Robert Bosch GmbH in der Traditionspflege. Bosch Classic heißt die Abteilung, die sich darum kümmert, Young- und Oldtimer auf der Straße zu halten. Zentrale Aufgabe ist die Ersatzteilversorgung. Das geschieht durch ein umfangreiches Teilearchiv, aber auch durch Nachfertigungen. Andere Teile werden in Kleinserien weitergefertigt. Zudem werden Teile auch in historischer Optik, aber mit modernem Innen leben her- gestellt, wie zum Beispiel die bekannte schwarze Bosch-Batterie. Ein spe zieller Instandsetzungsservice repariert überdies ältere Steuergeräte, aber auch zum Beispiel Luftmengenmesser, Warmlaufregler oder Elektrokraftstoffpumpen. Auch für die Kfz-Werkstätten wächst die Bedeutung des Themas. Der ZDK hat des- halb im Juli 2009 das Qualitätszeichen „Fach betrieb für historische Fahrzeuge“ eingeführt. Ein Betrieb muss bestimmte Standards für die Wartung und Instandset- zung der historischen Fahrzeuge erfüllen, wenn er dieses Zusatzzeichen führen will. Inz wischen haben sich rund 70 0 Kf z- Betriebe dafür qualifiziert. Außerdem kön- nen Kfz-Mechaniker die Zusatzqualifikation „Kfz-Mechatroniker für Old- und Young- timertechnik“ erwerben. /// so Motorjournalist Edition 2019 49 FOTO: BMW Ford in Köln nimmt historische Jubiläen immer wieder zum Anlass, über Meilensteine der Unternehmensgeschichte zu berichten und so die Tradition hochzuhalten. In die- sem Jahr etwa das 50-jährige Jubiläum des Capri. Daneben ist Ford mit Fahrzeugen aus der „Classic Car-Sammlung“ auf Oldtimer- Messen oder Events vertreten und unter- stützt die Marken-Clubs. Ein Werksmuseum gibt es nicht. „Volkswagen Heritage“ heißt die Klassik- Abteilung in Wolfsburg mit den Bereichen Konzernarchiv und Volkswagen Classic. Die historische Sammlung umfasst 300 Young- und Oldtimer an den Standorten Wolfsburg und Osnabrück. Als „rollende Markenbot- schafter“ stellt VW Fahrzeuge aus der Samm- lung für Medienproduktionen zur Verfügung und nimmt an Oldtimer-Rallyes und Messen teil. Unter Volkswagen Classic Parts finden Oldtimer-Besitzer inzwischen rund 60.000 Teile. 60 Classic Competence Center sind re gionale Ansprechpartner für Wartung, Reparatur und Restaurierung. Auch bei VW

Die Ansprüche an den „Herrenfahrer“ aus der Frühzeit des Automobils unterscheiden sich deutlich von den Fähigkeiten des künftigen Autoinsassen, der sein Fahrzeug, wann immer möglich, auf Autopilot schaltet. Damit hat sich auch die Fahrerausbildung gewandelt. Die moderne Technik verändert nun die Fahrschulinhalte noch einmal grundlegend. Noch bieten erst wenige Fahrschulen auch Elektro-Fahrzeuge für die Fahrstunden FOTO: DAIMLER Fahrerausbildung gestern – heute – morgen Jochen Klima ist Fahrlehrer in der dritten Generation. So kann der erste Vorsitzende des Fahrlehrerverbandes Baden- Württemberg e.V. die Geschichte der Fahrerausbildung auch an seiner Familiengeschichte nacherzählen. Schließ- lich war sein Großvater Robert Klima einer der ersten Fahr- lehrer in Württemberg. Im ersten Weltkrieg war er Militär- kraftfahrer gewesen, hatte einem General als Chauffeur gedient. Als dann nach dem Krieg das Fahrschulwesen in Württemberg monopolisiert wurde, kam der Großvater als Fahrlehrer zur Zweigstelle der Württembergischen Landes- fahrschule nach Freudenstadt. „Der Fahrlehrer ist eigentlich aus dem Beruf des Chauffeurs, des „Herrenfahrers“, hervor- gegangen“, berichtet Jochen Klima. So wie es bei seinem Groß- vater auch gewesen ist. „Der Chauffeur hat irgendwann begon- nen, seinem Herrn und auch der Verwandtschaft das Autofahren beizubringen.“ Die Chauf- feure aber mussten nicht nur fahren, sondern ihre Fahr- zeuge auch instandsetzen und Pannen beseitigen können. Die Nazis hoben schließlich das Fahrschulmonopol auf und so konnte sich Jochen Klimas Großvater mit einer eigenen Fahrschule selbständig machen. Da er auch Militärkraft- fahrer ausbildete, war er während des Krieges „unabkömm- lich“ und musste nicht an die Front. „Viele Jahrzehnte war die Fahrausbildung von militärischen Anforderungen geprägt“, sagt Jochen Klima. Kuppeln, Schalten, Zwischen- gas mussten die Fahrschüler lernen, dazu viel Technik, Pannen beseitigung und Pannenvorsorge. „Erst mit der Massen motorisierung in der Wirtschaftswunderzeit änderte sich das. Jetzt wollten auch immer mehr Privat- personen den Führerschein machen.“ Und auch die Schwerpunkte der Ausbildung verschoben sich. Neben Großvater Robert Klima als Generalsfahrer im Ersten Weltkrieg irgendwo in den Dolomiten Lehrbuch aus dem Jahr 1927 50 Motorjournalist Edition 2019 Rolf Klima, 1977 im Unterrichtsraum seiner Fahrschule FOTOS: ARCHIV KLIMA

Kuppeln und Schalten, also dem Beherrschen des Fahr- zeugs, wurde größerer Wert auf die Verkehrsregeln gelegt. „In den 70er-, 80er- und 90er-Jahren kamen Gefahrenlehre, partnerschaftliches Verhalten sowie umweltschonendes und energiesparendes Fahren als zusätzliche Ausbildungsinhalte hinzu.“ An Fahrlehrern mangelte es nicht in jener Zeit. Denn die Bundeswehr bildete pro Jahr rund 500 Fahrlehrer aus, die sich nach einigen Jahren als Zeitsoldat mit ihrem üppigen Überbrückungsgeld eine Existenz als zivile Fahrlehrer auf- bauen konnten. „Vor allem in den 1980er- und 90er-Jahren hatten wir ein Überangebot an Fahrschulen, was mancher- orts zu Dumpingpreisen führte.“ Mit dem Schrumpfen der Bundeswehr nach dem Ende des Kalten Krieges habe sich das jedoch deutlich geändert, so dass heute auch im Fahr- schulgewerbe der Fachkräftemangel angekommen ist. In all den Jahrzehnten bis weit ins 21. Jahrhundert blieb die Fahrschulausbildung allerdings – trotz des Einzugs moder- nerer Lehrmethoden in den Unterricht – noch sehr technik- lastig. Für den Lkw-Fahrlehrerschein war bis in die 1960er Jahre sogar eine Kfz-Mechaniker-Ausbildung Voraussetzung. Noch viele Jahre danach gehörten der Unterschied zwischen einem Zweitakt- und einem Viertaktmotor oder die Funktion der Bremsanlage zu den obligatorischen Inhalten des Theo- rie-Unterrichts in der Fahrschule. Entsprechend waren auch die Fahrlehrer ausgebildet. Jochen Klima, wie auch sein Vater Rolf Klima absolvierten zunächst eine Ausbildung zum Kfz- Mechaniker, bevor sie Fahrlehrer wurden. „Noch bis vor wenigen Jahren musste ein Fahrlehrer einen Hauptbrems- zylinder oder einen Bremskraftverstärker zeichnen können.“ Erst mit der jüngsten Reform des Fahrlehrergesetzes 2018 haben sich die Schwerpunkte endgültig zugunsten einer stärker didaktisch-pädagogischen Ausbildung verschoben. Manches aber hat sich bis heute nicht geändert. Wer heute Fahrschule und Fahrprüfung ausschließlich auf einem Auto mit Automatikgetriebe absolviert, erhält immer noch einen Eintrag in den Führerschein, dass er kein Fahrzeug mit Das waren noch Zeiten: Heute kosten der Pkw-Führerschein im Schnitt rund 2.000 Euro Schaltgetriebe fahren darf. „Das schränkt eine gute Ausbildung an Autos mit den heutigen modernen Assistenzsystemen oder auch an Fahrzeugen mit alternativem Antrieb ein, denn die funktionieren ja in vollem Umfang eigent- lich nur mit Automatik“, kritisiert Klima. D N A B R E V R E R H E L R H A F : O T O F Der erste Vorsitzende des Fahrlehrerverbandes Baden- Württemberg e.V. Jochen Klima Deutlich gewandelt haben sich auch die Ein- stellung und die Fähigkeiten der heutigen Fahrschüler. Vor allem in den größeren Städten wollen die Jugendlichen nicht mehr unbe- dingt gleich mit 18 den Führerschein machen. Fahrlehrer berichten dem Vorsitzenden des baden-württembergischen Fahrlehrerver- bands zudem immer häufiger, dass ihre Fahr- schüler keinerlei Ahnung davon haben, wie sie ein Auto in Bewegung setzen sollen. „Wir haben früher als Jugendliche immer sehr genau beobach- tet, was der Fahrer macht, wie er kuppelt und schaltet, Gas gibt und bremst. Außerdem wussten wir unterwegs immer ganz genau, wo wir sind, weil wir auf dem Beifahrersitz die Karte lesen mussten“, erinnert sich Jochen Klima. Die Jugendlichen heute dagegen lassen sich von Mutter oder Vater durch die Gegend kutschieren und schauen eher aufs Handy, als dass sie sich fürs Fahren interessieren. Ent- sprechend unbedarft kommen sie in die Fahrschule. Des- halb ist Klima auch überzeugt, dass das autonome Fahren Zukunft hat, denn „mit dieser Taximentalität ist es den jun- gen Leuten egal, ob sie von Mamma oder einem autonom fahrenden Auto transportiert werden“. Dennoch ist Jochen Klima überzeugt, dass der Beruf des Fahrlehrers auch weiterhin eine Zukunft hat. Zum einen, weil noch lange Zeit alte und neue Technik nebenein- ander existieren werden. Aber auch für den richtigen Umgang mit modernen Fahrerassistenzsystemen, mit alternativen Antrieben sowie mit hochautomatisierten und autonom fahrenden Fahrzeugen braucht es Ausbil- dung. Möglicherweise werden sogar regelmäßige Auffri- schungsschulungen nötig sein. Damit der Fahrer, der sich monatelang nur autonom fahren lässt, die Basics nicht verlernt, die nötig sind, wenn das autonome Fahrzeug an Grenzen stößt und ihn auffordert zu übernehmen. Allerdings ändert sich ja nicht nur die Fahrzeugtechnik, unsere individuelle Mobilität insgesamt unterliegt derzeit vor allem in den Ballungszentren einem enormen Wandel. „Damit wird sich der Fahrlehrer zum Mobilitätsberater wandeln müssen, der seinen Schülern nicht nur das Fah- ren beibringt, sondern ihnen auch zeigt, wie sie am bes- ten mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln von A nach B kommen.“ Entsprechend beschreibt der Fahrlehrer-Ver- bandsvorsitzende Klima das Anforderungsprofil für den künftigen Fahrlehrer: Der muss neben der Freude am Umgang mit Menschen, pädagogisches und rhetorisches Talent, Dienstleistungsorientiertheit und hohe Flexibilität sowie eine starke Affinität zu moderner Fahrzeug- und Digitaltechnik mitbringen. /// so Motorjournalist Edition 2019 51

FOTOS: VDA IAA 2019 – Hält die über 120-jährige Erfolgsgeschichte? Das größte Mobilitätsevent des Jahres ruft: Die 68. Internationale Automobil-Ausstellung (12. bis 22. September 2019) lockt unter dem Motto „Driving tomorrow“ wieder Fachbesucher, Medienvertreter und Hunderttausende Auto-Enthusiasten nach Frankfurt am Main. Rund 1.100 Aussteller aus 39 Ländern präsentieren ihre Neuheiten. Begonnen hat alles deutlich kleiner. Der Ursprung der IAA liegt mehr als ein Jahrhundert zurück: 1897 wurden der Öffentlichkeit im Berliner Hotel Bristol acht Motorwagen vorgestellt. 52 Motorjournalist Edition 2019 Besuchermassen auf der IAA-Pkw 2017 Messen, Ausstellungen oder Basare waren seit Menschengedenken Seismographen des Fortschritts. Und so beginnt auch der Sieges- zug des Automobils mit einer Ausstellung. Die ersten Autos sind motorisierte, noch dachlose Kutschen. 1897 organisierte der „Mitteleuropäische Motorwagenverein” eine eintägige Automobilausstellung in Berlin. Die Ausstellung gilt als Ursprung der Internatio- nalen Automobil-Ausstellung (IAA). Der Platz im Hotel Bristol an der Prachtstraße Unter den Linden reichte aus, um acht Motorwagen der Öffentlichkeit vorzustellen – mit den vier Aus- stellern Benz, Daimler, Kühlstein und Lutz- mann. Die 2. Motorwagen-Ausstellung gibt es bereits ein Jahr später, 1898, im Berliner Lan- desausstellungspark mit 13 Fahrzeugen, dar- unter erstmals ein Lkw. 1899 zählen die Ver- anstalter schon mehr als 100 Aussteller, darunter 13 aus Frankreich. 1905 eröffnete Kaiser Wilhelm II mit der 7. IAA erstmals eine Automesse in Deutschland. Die Limousine betritt die Auto-Bühne Bis 1911 findet wegen der großen Resonanz jährlich eine IAA statt. In manchen Jahren sogar zwei derartige Messen, meist in Berlin. Das Auto ist salonfähig geworden. Es entste- hen die ersten kleinen und großen „Tonneau“- Autos, die über dem Passagierabteil ein Dach besitzen. Der Chauffeur muss selbstverständ-

PLAKATE: VDA lich (noch) draußen sitzen. Erst um 1910 zirkuliert das Wort „Limousine“, also ein völlig geschlossenes Auto. Die IAA entwickelt sich zur festen Einrichtung. 1913 ändert sich die Autowelt mit Henry Ford und seinem Fließband. Die Produktion wächst, das Auto wird für viele Menschen b ez ahlb ar ; die Massenmotorisierung beginnt. 1915 werden erstmals mehr als eine Million Autos, Lkw und Busse weltweit pro- duziert. Mit dem Neubau einer großen Aus- stellungshalle am Berliner Kaiserdamm gibt die IAA dazu mehr Ausstellern und Fahrzeu- gen eine Plattform. Doch aus der feierlichen Eröffnung im Herbst 1914 wird nichts, der Erste Weltkrieg beginnt. Sieben lange Jahre gibt es keine IAA. Ansehen der IAA. Die Weltwirtschaftskrise verhindert dann bis zum Jahr 1931 die Wie- dereröffnung. Doch schon 1932 kommen fast 300.000 Besucher aus dem In- und Ausland. Der Neustart nach dem Ersten Weltkrieg Die IAA unter dem Nationalsozialismus Die 23. IAA wird von Reichskanzler Adolf Hit- ler eröffnet. In den Folgejahren nutzen die Nationalsozialisten die IAA vermehrt zu Pro- pagandazwecken. 1934 kommen bereits 600.000 Besucher. Möglich wird dies durch deutschlandweite Werbung auf Litfaßsäulen, Werbefilmen in Kinos und den Einsatz von Sonderzügen und -bussen. Die 29. und vor- erst letzte Auflage der IAA vor dem Zweiten Weltkrieg findet 1939 statt und erreicht einen Rekord von 825.000 Besuchern. In dem Jahr feiert der „Volkswagen“, der damals noch „Kraft-durch-Freude-Wagen“ heißt, seine Pre- miere. Nach dem Krieg schreibt er als „Käfer“ Automobilgeschichte. Ab 1947 – Die Wiederauferstehung Während des Zweiten Weltkrieges wird ein Großteil der deutschen Automobilfabriken und Zulieferbetriebe vollständig zerstört. Zwar finden 1946 in Paris und 1947 in Genf die ersten Autosalons der Nachkriegszeit statt, aber Deutschland bleibt die Teilnahme noch verwehrt. Von 1947 bis 1949 stellen daher deutsche Unternehmen auf der Exportmesse in Hannover aus. 1950 weicht die IAA auf die „Autoschau“ in West-Berlin Fortsetzung ››› aus und im April 1951 Die erste IAA nach dem Ersten Weltkrieg findet auf dem neuen Berliner Messegelände statt. Das alles bestimmende Thema ist, wie Deutschland an die früheren Erfolge anknüp- fen und angesichts der starken internationalen Konkurrenz wieder wettbewerbsfähig werden kann. 1921 präsentieren 67 Automobilher- steller 90 Pkw- und 49 Lkw-Modelle. Letztlich zählt die 14. IAA rund 300.000 Besucher. High- lights sind der aerodynamische Rumpler-Trop- fenwagen sowie eine als Bosch-Horn betitelte Hupe mit elektro-akustischem Signalgeber. In den 1920er-Jahren nimmt das Autodesign Fahrt auf: GM baut als erster Hersteller eine eigene Designabteilung auf. Deutsche Erzeugnisse müssen auf internationalen Mes- sen aber noch immer draußen bleiben. Die Retourkutsche folgt: Die IAA lässt vorerst auch keine ausländischen Aussteller zu. In Amerika gilt die Devise „Size matters”, in der Alten Welt sind vor allem kleine Autos in. Die 15. Ausstellung 1923 zieht schon 653 Ausstel- ler an. 1928 wird mit dem Röhr 8 ein deut- sches Auto mit Zahnstangenlenkung und Ein- zelradaufhängung gezeigt. Als erster Opel mit Achtzylindermotor ist der Luxuswagen Opel 24/110 PS „Regent“ zu sehen. Im Mai 1927 findet die 19. Auflage der IAA erstmals in den Kölner Messehallen statt. Das Jahr darauf gastiert die IAA in Leipzig, bevor die IAA wieder nach Berlin zieht. In den Folge- jahren steigt auch wieder das internationale 1951 findet die 34. IAA auf dem Frankfurter Messegelände statt, erstmals organisiert vom VDA Motorjournalist Edition 2019 53

findet die 34. IAA erstmals in Frankfurt am Main statt. Das Event zieht 570.000 Besucher aus 45 Ländern an. Ausrichter ist nun der Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA), der Nachfolger des „Reichsverbandes der Automobilindustrie“ (RDA). Von nun an ist die Mainmetropole im Zwei-Jahres-Rhyth- mus Gastgeber der IAA. Gezeigt werden der BMW 501, Muldenkipper und schwere Lkw, darunter der MAN MK 26 als erster deutscher Lkw mit Diesel-Abgasturbolader. 1953: Bei den Nutzfahrzeugen tut sich etwas: Der neue Ford FK 1.000 wird als Konkurrent zum VW Transporter präsentiert. 1957: Das Automobil feiert seinen 70. In der Bundes- republik werden erstmals mehr als eine Mil- lion Autos gebaut. Über 300.000 Menschen schaffen in der Automobilindustrie. Die BRD avanciert zur Nummer 2 in der Auto-Welt – hinter den USA. Beinahe jedes zweite in West- deutschland gefertigte Fahrzeug geht in den Export. Low-Budget-Autos wie der Citroën 2CV, der Fiat 500 oder der VW Käfer sind beliebte Einstiegsmodelle. Ferner erobern „Rollermobile“ die Straßen: die Isetta von Iso, später auch von BMW, Fuldamobil, Messer- schmidt-Kabinenroller, Goliath 700, Zündapp Janus und Goggomobil. Zur 39. IAA im Jahre 1959 strömen 870.000 Autofans. Premiere: Zum ersten Mal sind auch Fahrzeuge aus der Sowjetunion dabei. 1960 bis 1969: Helle Farben In den 1950er-Jahren machen vor allem Klein- wagen das Rennen. Die Besucher der IAA set- zen im Laufe der Sechziger immer öfter auf Mittelklasse- und Zweitwagen; die Geldbör- sen der Verbraucher sind praller gefüllt. Und 54 Motorjournalist Edition 2019 die Farben der Fahrzeuge werden heller – dunkel war gestern. Zur 40. IAA im Jahre 1961 kommen schon 950.000 Besucher – neuer Rekord. Die Sicherheit am und im Auto steht auf der Agenda; einer der Stars der Messe ist der Sicherheitsgurt. 1965 ist mit Honda erst- mals ein Japaner auf einer IAA. Vier Jahre spä- ter feierte das weltweit erste Antiblockiersys- tem des US-amerikanischen Unternehmens ITT seine Premiere. 1963 ist der Mercedes 600 zu sehen, ausgestattet mit allen technischen Raffinessen seiner Zeit. Die 1970er-Jahre sind für die Autoindustrie eher holprig. Das Auto gerät in die Kritik, die Ölkrise verteuert den Kraftstoff und aus Asien kommen kleine, billige und spritsparende Autos. 1971 gibt es für die IAA wegen der ungünstigen Wirtschaftsentwicklung in der Automobilindustrie die rote Karte. Das ist die Geburtsstunde der Automechanika. Die Messe Frankfurt am Main gibt den auch auf der IAA vertretenen Kfz-Ausrüstern und Zube- hör-Profis eine eigene Messe. 1977 atmet die Autobranche wieder durch. Die deutschen Automobilbauer warten mit einem neuen Produktionsrekord auf: Mehr als vier Millionen Kraftfahrzeuge verlassen die Bänder. 1991 wird die IAA geteilt sind auf der IAA Wirtschaftlichkeit und gerin- ger Verbrauch tragende Themen. Ins Cockpit ziehen verstärkt moderne Digitalanzeigen und Bordcomputer ein. 1989 findet die letzte gemeinsame IAA mit Pkw und Nutzfahrzeu- gen statt. Der Messeplatz Frankfurt am Main platzt aus allen Nähten. Mehr als 1,2 Millionen Menschen besuchten die IAA. Seit 1991 ist die IAA zweigeteilt: In ungeraden Jahren findet die IAA Pkw in Frankfurt am Main statt, in geraden Jahren lädt die IAA Nutzfahr- zeuge nach Hannover ein. Die erste „reine“ IAA Pkw wird 1991 ein voller Erfolg: 1.271 Ausstel- ler aus 43 Ländern zeigen ihre neuen Modelle. Mehr als 935.000 Besucher lassen sich inspirie- ren. Viele Menschen aus den neuen Bundes- ländern sind beim Auto-Spektakel am Main dabei. Der südkoreanische Autobauer Hyundai gibt sich erstmals die Ehre. Das Hannoveraner Messegelände begrüßt 1992 die erste IAA Nutzfahrzeuge; knapp 1.200 Aussteller aus 29 Ländern und 287.000 Besucher sind zugegen. 46 Prozent der Aus- steller in der Leine-Stadt waren neu, der Anteil der Fachbesucher lag bei 66 Prozent. Das Zweiteilungs-Konzept des VDA bestand die Feuertaufe. In den 1980er Jahren ist die Automobilindus- trie weiter auf dem Vormarsch. Deutsche Fahrzeuge genießen im Ausland traumhaftes Ansehen; insbesondere die hochwertige Technik überzeugt. Langsam geht es auch um das Energiesparen. Auch der Dieselmotor erlebt in den 1980er-Jahren seinen Durch- bruch. Die ersten Pkw mit Direkteinspritzung und Turboaufladung gehen in Großserie. So Automobilindustrie und Umweltschutz passen zusammen. Innovationen im Antriebs- und Motorensegment dominieren; die Autos wer- den noch sparsamer und sauberer. Der Smart feiert 1997 seine Weltpremiere auf der IAA. Mit den 1990er-Jahren bricht auch das Elektrozeit- alter an. Unter der Bezeichnung NECAR 3 stellt Mercedes-Benz das „New Electric Car“ auf der IAA vor – das weltweit erste Brennstoffzellen-

Fahrzeug mit bordeigener Wasserstofferzeu- gung. 1999 präsentiert Toyota den Prius und macht Hybridfahrzeuge salonfähig. Die IAA Pkw gibt sich außerdem in Feierlaune – mit Konzertabenden und Messepartys. Die IAA Nutzfahrzeuge avanciert zur Fachmesse, auf der Lkw, Omnibusse Zulieferer, Finanzierer oder Logistiker ihre Messezelte aufschlagen. Die 58. IAA Nutzfahrzeuge findet wegen der Weltausstellung Expo 2.000 in Hannover aus- nahmsweise in Frankfurt am Main statt. 2001: Zeichen gegen den Terror Im Jahr 2001 überschattet der Terroranschlag vom 11. September auf das World Trade Center in New York die IAA Pkw. Die Ausstellung fin- det trotzdem statt; aus Solidarität mit den Ter- roropfern und deren Angehörigen wird auf Showteile und laute Musik verzichtet. Der Pub- likumszuspruch bestätigt eindrucksvoll, dass die Entscheidung des VDA richtig war: Über 800.000 Menschen kommen zur „leisen IAA”. Die Besucherzahlen steigen weiter Die 60. IAA Pkw im Jahre 2003 verzeichnet erneut einen Besucherrekord. Rund eine Mil- lion Auto-Fans strömen in die Messehallen. Damit ist diese IAA die besucherstärkste seit 1991, dem Jahr der ersten eigenständigen Pkw-IAA, die noch voll im Zeichen des Wie- dervereinigungsbooms stand. Und die 60. IAA Nutzfahrzeuge in Hannover ein Jahr später beweist erneut ihre Spitzenposition unter den Transportmessen weltweit. Unter dem Motto „Mobile Zukunft“ dokumentiert sie mit einer Rekordzahl an neuen Fahrzeugen und Innova- tionen ihre Rolle als Motor für die gesamte Branche. Die IAA Nutzfahrzeuge hat sich end- gültig von der reinen Produktshow zur voll integrierten, über die komplette Wertschöp- fungskette reichenden Messe der Mobilität, das Transports und der Logistik entwickelt. 2005 sind erstmals chinesische Autobauer präsent. Diese IAA ist mit rund 940.000 Besu- chern bis dahin die zweitbeste IAA aller Zei- ten. Wichtige Themen 2007: Kraftstoffeffizienz und Kohlenstoffdioxid-Reduzierung. Die 62. IAA Nutzfahrzeuge ein Jahr später ist die bis- lang erfolgreichste Nutzfahrzeugmesse. Die Zahl der Besucher steigt Fortsetzung ››› Andrang zum Messebeginn: 1991 werden rund 950.000 Besucher zur 40. IAA gezählt (links) Eingang zur 42. IAA 1965 Motorjournalist Edition 2019 55

Ab 1991 ist die IAA geteilt. Die IAA Pkw bleibt in Frankfurt (rechts) auf fast 300.000. Damit hat diese IAA alle bis- herigen IAA Nutzfahrzeuge übertroffen und eine neue Rekordmarke erreicht. Die Nutz- fahrzeugindustrie präsentierte erstmalig alter- native Antriebe. Trotz Krisenjahr 2009 erweist sich die IAA im Folgejahr als Publikumsmag- net. Mit rund 850.000 IAA-Gästen wird das selbst gesteckte Ziel von 750.000 erheblich übertroffen. Die Industrie zeigt eine Fächer- strategie, die alle Optionen im Blick behält: Optimierter Verbrennungsmotor, Hybrid, rei- nes Elektroauto mit Batterie- oder Brennstoff- zellenantrieb. Der Klima- und Umweltschutz rückt in den Vordergrund. Im Mittelpunkt ste- hen vor allem Autos mit Elektroantrieb. 2010: Schonende Umwelttechnologien Auf der 63. IAA Nutzfahrzeuge 2010 sind 1.751 Ausstellern aus 43 Ländern vertreten. Das Nutzfahrzeug ist inzwischen führend in der Umwelttechnologie. Bei Transportern und Bussen geht die Reise in Richtung alternative Antriebe: Hybrid, Elektro oder Brennstoff- zelle. Beim schweren Lkw geht es um die wei- tere Optimierung der Clean-Diesel-Motoren, die noch sauberer und sparsamer werden. 2011: Starke Elektromobilität Die 64. IAA Pkw verzeichnet unter dem Motto „Zukunft serienmäßig“ mehr Ausstel- ler (1.012), mehr Fläche (235.000 Quadrat- meter), mehr Weltpremieren (183) und mehr Besucher (928.100) als die vorangegangene IAA Pkw. Im Mittelpunkt stehen effiziente Fahrzeuge, die gleichzeitig den hohen Kun- denansprüchen an Sicherheit, Komfort, Qua- lität und Design gerecht werden. Neu ist die „Halle der Elektromobilität“, die erste ihrer Art auf einer Automobilmesse. IAA-Premie- ren sind auch der Fachkongress Elektro- mobilität und der carIT-Kongress, der sich dem „vernetzten Fahren“ widmet. 56 Motorjournalist Edition 2019 Zur 64. IAA Nutzfahrzeuge zeigen die Aussteller Entwicklungen zu den Trends wie Euro VI, Aero- dynamik, alternative Antriebe, intelligente und vorausschauende Getriebe, Sicherheit, Leicht- bau, Vernetzung/Telematik und Lang-Lkw. Mit 1.098 Ausstellern aus 35 Ländern ist die IAA Pkw 2013 „Die automobilste Show der Welt. Der Auslandsanteil bei den Ausstellern beträgt 42 Prozent. Um die 900 000 Besucher informieren sich über Trends wie Elektro- mobilität und das vernetzte Fahrzeug. E-Autos kommen auf die Straße: in allen Segmenten, vom Kleinwagen bis zum Sportwagen. Vernetzung & Automatisierung Die 65. IAA Nutzfahrzeuge ist Schaufester von Vernetzung und Automatisierung. Besucher staunen über das Rangieren von fahrerlosen Lastzügen via Tablets. Chinesische Unterneh- men zeigen ihre Produkte; ihre Ausstellerzahl steigt; sie bilden wie bereits 2012 den größten Anteil bei den ausländischen Herstellern. Ein Schwerpunkt der 66. IAA Pkw ist die Elektro- mobilität. Autonomes Fahren und vernetzte Autos dominieren die Messe. Drei große Themen stehen im Mittelpunkt der 66. IAA Nutzfahrzeuge 2016: Elektro- mobilität, Digitalisierung und urbane Logistik. Im Rahmen der New Mobility World Logistics werden diese Themen auf zahlreichen Kon- gressen, auf der LIVE-Bühne im Freigelände, bei den „Guided Tours“ und bei vielen Elektro- Probefahrten auf dem IAA-Gelände diskutiert. Der IAA-Besucher taucht in eine neue Fahr- zeugwelt der Mobilität und Logistik! 2017 zeigt die IAA Pkw unter dem Motto „Zukunft erleben“ die ganze Innovations- Bandbreite der Mobilität. Die Elektromobilität ist der Renner. Die New Mobility World ver- eint Tech-Firmen, die Automobilindustrie, Startups und Disruptoren. Sie etabliert sich als Plattform für neue, innovative Konzepte rund um die Zukunft der Mobilität. Branche im Wandel Die 67. IAA Nutzfahrzeuge zeigt: Hier ist eine gesamte Branche im Aufbruch! Im Zentrum stehen die Megatrends Elektromobilität, Digi- talisierung und urbane Logistik. Mit 2.174 Aus- stellern aus 48 Ländern wurde das bereits sehr gute Niveau aus 2016 noch einmal getoppt. 282.000 qm Ausstellungsfläche heißt die neue Bestmarke. Und in diesem Jahr? Laut VDA präsentiert die 68. IAA Pkw die neuesten Trends mit 219 Welt- premieren. Um die 1.100 Aussteller zeigen auf 230.000 qm ihre News. Zu den Highlights zählt 2019 bestimmt die Premiere des VW ID.3 – das erste vollelektrische Volumenmodell auf dem neuen Modularen Elektrobaukasten. Medien- vertreter konnten sich das Fahrzeug schon Anfang Mai auf einer Pressekonferenz in Berlin ansehen, wohlbemerkt ansehen, nicht anfas- sen! Das geht jetzt während der beiden Presse- tage (10./11. September). Porsche präsentiert den 600 PS starken Taycan-Sportwagen mit einer Reichweite von 500 Kilometern im Serien- trimm. Land Rover zeigt den neuen Defender, BMW offeriert den 1er als Frontantriebsmodell und Audi verpasst S6 und S7 Sportback als Power-Aggregat einen TDI. Zwei „People Mover“ von ZF fahren um die Halle 10. Aber es herrscht nicht nur eitel Freude Sonnenschein: Einige Hersteller verzichten in diesem Jahr auf die IAA-Teilnahme, darunter Mazda, Peugeot, Toyota und Volvo. /// Erwin Halentz

A R K E D : S O T O F Ein ausführliches Gutachten dokumentiert den Erhaltungszustand des Oldtimers Oldtimer, aber auch viele Youngtimer verfügen über deutlich weniger Sicherheitsausstattung als moderne Pkw. Wer ein historisches Fahrzeug auf der Straße bewegt, muss sich das immer wieder klar machen. Denn Nachrüsten lässt sich Sicherheit nicht. Technische Prüfung auf Herz und Nieren Mit dem Oldtimer sicher unterwegs Im Mai 2018 bewegte ein tödlicher Unfall die Menschen im Südwesten der Republik. Friedrich Herzog von Würt- temberg war mit seinem Porsche 356 Cabrio auf kurviger Landstraße beim Überholen eines Traktors mit einem entgegenkommenden Pkw frontal kollidiert. Der Chef des Hauses Württemberg starb noch an der Unfallstelle, während die Insassen des anderen Pkw leicht verletzt aus ihrem Fahrzeug steigen konnten. Der Herzog hatte ein Faible für historische Fahrzeuge und nutzte seinen vorbildlich restaurierten dunkelgrü- nen Oldtimer-Porsche oft im Alltag – so auch an diesem sonnigen Frühlingstag. Die regionalen Medien berichte- ten ausführlich und vermuteten, dass der Herzog in einem modernen Fahrzeug wohl bessere Überlebens- chancen gehabt hätte – eine zweifellos zutreffende Ein- schätzung. Denn 1961, als der Porsche im Geburtsjahr des Herzogs vom Band lief, waren viele heute selbstver- ständliche Sicherheitseinrichtungen, wie etwa der Air- bag, schlicht noch nicht erfunden. Vor allem ältere Oldtimer sind noch sehr steif konstruiert, erst in den 60er-Jahren setzten sich Karosseriebereiche, die bei einem Unfall Energie abbauen, die sogenannte „Knautschzone“, mehr und mehr durch. Einer der wohl wichtigsten Lebensretter, der Dreipunkt-Sicherheitsgurt, war immerhin schon 1959 serienmäßig im Volvo P 544 ein- gebaut. Viel später erst folgten Airbag, ABS, ESP und was es heute sonst noch alles gibt, um die Fahrzeuginsassen bei einem Unfall zu schützen. Leider lassen sich moderne Sicherheitseinrichtungen im Old- timer nicht nachrüsten. „Für Sicherheitsgurte sind in Oldti- mern oft noch gar keine Aufnahmepunkte vorgesehen“, erklärt Dipl.-Ing. Andreas Lahne, der die Aktivitäten der Dekra Classic Services koordiniert. Wer dann einfach die Karosserie anbohrt, um den Gurt zu befestigen, wiegt sich in trügerischer Sicherheit, weil die provisorischen Befestigungs- punkte bei Belastung leicht ausbrechen. Im Übrigen besteht für die historischen Fahrzeuge auch keine Gurtpflicht. Sie müssen in allen Bereichen dem technischen Standard zum Erstzulassungszeitpunkt entsprechen – nicht mehr, aber auch nicht weniger. Bohrungen für Sicherheitsgurte sind damit „ein unzulässiger Eingriff in die Fahrzeugstruktur“. Ob die historischen Fahrzeuge dem technischen Stand ihrer Erstzulassung entsprechen, wird auch bei Oldtimern alle zwei Jahre bei der Hauptuntersuchung geprüft. Bei Dekra kümmern sich rund 500 spezialisierte Experten für klassische Automobile in 75 Niederlassungen bundesweit um Young- und Oldtimer. Darüber hinaus können Oldti- mer-Fahrer viel für die Sicherheit tun, wenn sie Reparatu- ren fachmännisch ausführen lassen und vor allem dafür sorgen, „dass die Karosserie nicht durch Korrosion geschwächt wird“, sagt Classic-Experte Lahne. Wer sich nicht sicher ist, ob ein Young- oder Oldtimer in Punkto Sicherheit auf dem optimalen Stand ist, der kann sich bei den Oldtimer-Experten von Dekra Rat holen, zum Bei- spiel mit einer Kaufberatung oder Gutachten zum Markt-, Wiederbeschaffungs- oder Wiederherstellungswert. /// so Motorjournalist Edition 2019 57

Zu Oldtimer-Veranstaltungen und -Messen strömen die Menschen, stehen an der Strecke und flanieren zwischen den aufgereihten Old- und Youngtimern. In kaum einem Land ist die Faszination Oldtimer so groß wie in Deutschland. Zu beobachten war das einmal mehr im Juli 2019 als die Traditionsrennstrecke Solitude vor den Toren Stuttgarts ganz im Zeichen der großen Rennen der 60er Jahre stand. Faszination Oldtimer 70 Jahre Stuttgarter Motorsporthistorie Der Name der Solitude hat bei Motorsport- fans nach wie vor einen hervorragenden Klang, auch wenn das letzte offizielle Rennen bereits 1965 stattfand. Daher hatten die Initi- atoren Uwe Schäfer und Thomas Itte keine Probleme ein repräsentatives Starterfeld zu füllen, als sie zum Revival ans Glemseck rie- fen, um 70 Jahre Motorsport am Solitude- Ring zu zelebrieren. Über 100 Motorräder und mehr als 130 Rennwagen der Baujahre von 1918 bis 1999 präsentierten sich bei schöns- tem Sommerwetter den Zuschauern. Als die größten Kriegsentbehrungen hinter den Menschen lagen und der Wiederaufbau sich positiv entfaltete, suchte die Bevölke- rung nach Entspannung und Ablenkungen, so dass 1949 das erste Solitude-Rennen auf der bis heute bekannten Rundstrecke ausge- schrieben wurde. Es handelte sich um die Wiedergeburt eines Rennens, das schon eine lange und wechselhafte Historie aufwies. Bereits 1903 wurde erstmals ein Motorrad- rennen ausgetragen, dessen Ziel das Schloss Solitude war und der Motorsportveranstal- La France am Waldhotel Schatten tung seinen Namen gab. Die Rennen an der Solitude wurden in den Jahren bis zur Pause durch die Nazizeit mit Unterbrechungen fort- geführt, Anfang der 1920er Jahre als Bergren- nen, zu denen neben Motorrädern auch Autos an den Start gingen, und ab 1925 als Rundstreckenrennen „Rund um die Solitude“. Mit dem Neubeginn 1949 begründete das Rennen seinen guten Ruf, insbesondere mit den Rennen Anfang der 1960er Jahre, als sowohl Motorräder als auch Renn- und Tou- renwagen bis hin zur Formel 1 für gigantische Zuschauermassen sorgten und international renommierte Fahrer ins Mahdental zog. Trotz dieser Blüte war nach dem Rennen 1965 end- gültig für Motorsportveranstaltungen auf Bestzeit Schluss. Die Geschwindigkeiten und Spektakuläre Kurvenfahrten zur Freude der Zuschauer Walter Röhrl im RS Spyder von 1960 Grüße an die Zuschauer 58 Motorjournalist Edition 2019

„Sharknose" Ferrari Tipo damit das Risiko waren in den letzten Jahren erheblich gestiegen. Parallel entwickelte sich ein neues Sicherheitsbedürfnis. Diese gegen- läufigen Aspekte ließen sich am Solitude- Ring nicht miteinander in Einklang bringen. Nichts gräbt sich jedoch so tief ins Gedächtnis ein, wie positiv erlebte Mythen und Legen- den. Zudem hatten sich einige Fahrer aus der Region nicht nur in die Siegerlisten des Soli- tude-Rennens eingetragen, sondern sie waren trotz des internationalen Erfolgs ihrer Heimat treu geblieben. So war es nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Enthusiasten auf die Idee kamen, die glorreichen Nachkriegs- zeiten als historische Veranstaltung wieder aufleben zu lassen. Als Konsequenz gründete sich der Verein Solitude-Revival, dessen Mit- glieder im zwei-jährigen Veranstaltungsryth- mus mit Demonstrationsfahrten „die guten alten Zeiten“ in Erinnerung rufen. Zugelassen sind Autos und Motorräder aus den Jahren der „echten” Solitude-Rennen, die heute jedoch ohne jegliche Zeitwertung in flotter, aber auch sicherer Fahrt in verschiedenen Gruppen den Kurs umrunden. Die Besucherströme geben den Veranstaltern dabei ebenso recht, wie die Vielzahl der Teil- nehmer. Und natürlich lassen sich die großen Herren der Region, wie Hans Herrmann, Her- bert Linge oder Eberhard Mahle, trotz ihres inzwischen beträchtlichen Alters, nicht davon abhalten, „ihrer” Hausstrecke die Ehre zu erwei- sen und noch immer beherzt ins Lenkrad zu greifen. Doch damit nicht genug: Der zweima- lige Rallye-Weltmeister Walter Röhrl war zur Freude der Zuschauer ebenso zugegen, wie die ehemaligen Formel 1-Fahrer Kurt Ahrens, Jochen Mass, Hans-Joachim „Striezel“ Stuck und Arturo Merzario sowie der sechsfache Motor- rad-Weltmeister Jim Redman. Zudem ließ Hauptsponsor Porsche, der gleich ein ganzes Zelt für die vielen mitgebrachten Rennwagen brauchte, auch die aktuellen Werksfahrer Neel Jani und André Lotterer mit historischen Fahr- zeugen aus dem Museum an den Start gehen. Somit war für die Solitude-Fans an diesem Wochenende wieder viel geboten. Dabei war es völlig egal, ob man sich dem Geschehen auf der Strecke widmete oder lieber durch die verschiedenen Fahrerlager strich, um die Maschinen und Boliden aus nächster Nähe in Augenschein zu nehmen und dabei mit den stolzen Besitzern ins Gespräch zu kommen. Selbstverständlich erfüllten die Fahrer-Legen- den nahezu jeden Wunsch nach einem Auto- gramm oder einem Erinnerungsfoto. FOTOS: RITTER (5), STRÄHLE (2) Carrera Cup Sieger Roland Asch begeisterte die Fans Das Starterfeld am „Forstamt" Die Veranstalter, Teilnehmer und Besucher strahlten das ganze Wochenende mit der Sonne um die Wette, was wiederum zur Folge hat, dass schon jetzt die ersten Gedanken auf den Juli 2021 gerichtet sind. /// Ronald Ritter Oldtimer-Veran- staltungen und -Messen 2019/20 ››› 2. 6. Oktober 2019 Südtirol Classic Schenna ››› 4. 6. Oktober 2019 ADAC Saarland Historic ››› 18. 20. Oktober 2019 Classic Expo Salzburg ››› 18. 20. Oktober 2019 Hamburg Motor Classics ››› 14. 17. November 2019 Retro Classics Cologne, Köln ››› 20. 24. November 2019 Motorworld Classics Berlin, ››› 30. November 8. Dezember 2019 Essen Motor Show mit Classic & Prestige Salon, Messe Essen ››› 6. 8. Dezember 2019 Retro Classics Bavaria, Nürnberg ››› 31. Januar 02. Februar 2020 Bremen Classic Motorshow 2020 ››› 27. Februar 1. März 2020 Retro Classics Stuttgart ››› 25. 29. März 2020 32. Techno-Classica, Messe Essen ››› 8. 10. Mai 2020 Motorworld Classics Bodensee 2020 ››› 13. 16. Mai 2020 Oldtimerrennen Mille Miglia ››› 12. 14. Juni 2020 Nürburgring Classic, Nürburgring ››› 18. 20. Juni 2019 15. Donau Classic ››› 26. 28. Juni 2020 Bosch Boxberg Klassik 2020 ››› Juli 2020 Goodwood Festival of Speed ››› 25. 27. September 2020 Rossfeld Rennen Motorjournalist Edition 2019 59

Nur die Hülle ist gealtert: Originaler Ring Der „Goldene Dieselring“ wurde vom VdM vor 65 Jahren gestiftet. Sein Beginn liegt im Dunkel der Geschichte, sein Renommee ist inzwischen unbestritten. Häufig gab es mehrere Preisträger. FOTO: IAN GEORG STROHBÜCKER Ein Oldtimer für die Zukunft Im „DDD – Der Doerschlag Dienst“ – einem einst renom- mierten Auto-Nachrichtendienst – erscheint am 26. April 1954 eine Notiz über die Generalversammlung des VDM 1. Darin heißt es: „Es wurde ein DIESEL-EHRENRING geschaf- fen, der in jedem Jahr derjenigen Persönlichkeit verliehen werden soll, die nach Auffassung des VDM sich im Bun- desgebiet und Westberlin die größten Verdienste um die Verkehrssicherheit erworben hat.“ Im selben DDD steht außerdem: „Chefingenieur Josef VOLLMER wurde für seine Verdienste um die Entwicklung des Kraftfahrzeuges die Goldene Diesel-Medaille in einer Feierstunde in den Clubräumen des Verbandes der Motor- journalisten, dessen Ehrenmitglied er ist, überreicht.“ Dieselring, Diesel-Medaille? Beides vom VDM? Was denn nun? Die Antwort auf diese Frage lässt sich heute nur schwer rekonstruieren; es sind im Archiv kaum Akten aus der damaligen Zeit erhalten. Fest steht freilich, dass die Die- sel-Medaille seit 1953 vom Deutschen Institut für Erfin- dungswesen verliehen wird und 1954 wohl nur wegen der VDM-Mitgliedschaft von Vollmer in den VDM-Clubräu- men stattfindet. Im Archiv finden sich allerdings noch ein anderer merkwürdiger Hinweis. So vermerkt das Protokoll der Präsidialsitzung vom 26. 11. 1953 unter Punkt 7. „Betr. Daimler-Ring: Herr Kroll verliest den Entwurf eines Briefes, in dem die Fa. Daimler-Benz aufgefordert wird, die Erlaub- nis zur Benennung des Rings zu geben und den Splitter für den Ring zur Verfügung zu stellen.“ 1 In den Anfangsjahren war die offizielle Schreibweise VDM. Wie jetzt – Daimler-Ring? Weitere Hinweise zur Namensfindung lassen sich nicht mehr auftreiben. Belegt ist lediglich, dass in einem zeremoniellen Akt unter Aufsicht des Germa- nischen Lloyd am 21. Juni 1954 eine Scheibe von einer Schraube vom ersten Versuchsmotor Rudolf Diesels aus dem Jahr 1893 abgetrennt wird. Davon stammt der Span, der fast wie ein Edelstein den Originalring krönt. Am 6. April 1955 schließlich erhält im Rahmen einer Feierstunde in der Diesel-Werkhalle der HANO- MAG Prof. Dr. Walter Linden, Präsident der Bundesver- kehrswacht, den ersten Goldenen Diesel-Ring des FOTO: VDM-ARCHIV Der erste Preisträger: Prof. Walter Linden 60 Motorjournalist Edition 2019

FOTO: IAN GEORG STROHBÜCKER Original und Duplikat: Die Nachfertigungen unterscheiden sich kaum vom ersten Ring VDM. Linden ist Initiator verkehrskundlicher Fortbil- dungskurse und gilt als Erfinder der Kfz-Beleuch- tungswochen. Der damalige Präsident Werner Kroll betont in seiner Ansprache, es sei der Wunsch der im VDM zusammenge- schlossenen in- und ausländischen Motorjournalisten, „dass von dem Ring eine Initialzündung ausgehen möge, die Hirn und Hand aller an der Lösung der Verkehrs- sicherheitsfragen arbeitenden Personen zu noch inten- siverer Tätigkeit anrege.“ Der Ring – ein Prunkstück Was den Ring betrifft, lässt sich der Verband nicht lumpen: Das edle Teil ist ganz im Stil seiner Zeit gestaltet: schwer, massig und auffällig. Aus 14-karätigem Gold gefertigt reprä- sentiert es auch einen beträchtlichen materiellen Wert. Das gilt – zum Leidwesen des VdM-Schatzmeisters – auch für die Duplikate, die seit damals alljährlich vergeben werden, wenn der originale Dieselring einen neuen Träger findet. Von Anfang an liegt die Fertigung der Dieselringe in kun- diger Hand: Der Berliner Goldschmiedemeister Kurt Weinland schafft das Original und ist ab da auch für die Replikate verantwortlich. Bis 1982 geht das so, dann überlässt Weinland den Auftrag seinem ehemaligen Lehrling, dem inzwischen zum Meister gereiften Franz Walla. Der ist Herr der Ringe bis 2016. Danach setzt er die Tradition fort und übergibt die Ausführung an seine ehe- malige Auszubildende Stephanie Schmidt. Auch sie beherrscht als Goldschmiedemeisterin die fast ausge- storbenen Handwerkskünste des Treibens und Ziselie- rens, Granulierens und Emaillierens sowie die kompli- zierte Herstellung von Tula-Silber – Niellieren genannt. Der Herstellungsprozess hat sich kaum verändert. Aus Goldblech entstehen die Einzelteile: das mehrteilige Oberteil, die Zarge, der obere Boden, der eigentlichen Ring sowie die Fassung für den Stahlspan. Der stammt übrigens heute nicht mehr von der einst abgetrennten Motorschraube, sondern ist aus Werkzeugstahl. Damit der Span seine bläuliche Farbe bekommt, die ihm den Edel- steincharakter verleiht, wird er im Feuer „angelassen“ und Fortsetzung ››› danach sorgsam poliert. FOTO: VDM-ARCHIV Eingraviert: die Initialen der ersten Preisträger Die erste Preisträgerin: Erika Emmerich (1996) Motorjournalist Edition 2019 61

Kunststück: Die Ringteile sind sorgsam von Hand gefertigt; die Montage erfordert eine ruhige Hand und Augenmaß FOTOS: ULRIKE SCHMIDT Die Buchstaben für den Text sind aus einem schmalen Goldstreifen einzeln ausgesägt. Hernach werden sie in die vier Zwischenräume von Zarge und Oberteil eingelötet, damit sich der Text „VdM – Diesel – VdM – Ring“ ergibt. Augenmaß und Erfahrung sind nötig, um die Abstände zwischen den Buchstaben so zu treffen, dass ein harmo- nisches Bild entsteht. Zwischen dem Oberteil mit den Buchstaben und dem eigentlichen Ring bleibt ein kleiner Hohlraum. Schon aus Gewichts- und Kostengründen lässt sich der Ring nicht massiv fertigen, verrät Schmidt. Dieser Hohlraum birgt ein Geheimnis. In die Bodenplatte ist, von außen unsichtbar die „Geburtsurkunde“ des Rings gra- viert: Herstellungsdatum, Name des jeweiligen Gold- schmieds sowie der Herstellungsort Berlin. Die Träger – eine Elite In den Anfangsjahren wird der Dieselring-Träger noch durch eine große, schriftliche Fragebogen-Umfrage bei Industrie und Verbänden ermittelt. Doch mehr und mehr zieren sich die Befragten und wollen, es könnte ja „ein Gschmäckle haben“, sich nicht mehr festlegen. Motto der Absagen: „Es gibt so viele prädestinierte Persönlichkeiten, da möchten wir keinen kompromittieren.“ Aber auch Querelen und Missgunst hinter den Kulissen machen sich breit. Der Ring hat inzwischen auch international einen so herausragenden Ruf, dass ihn viele haben wollen oder mancher ihn einem Protegé zuschanzen möchte. 1966 folgt als Konsequenz eine Änderung der Vergabestatuten. Nun heißt es unmissverständlich: „Über die Verleihung entscheiden der VdM-Vorstand und der Vorsitzende des Ehren- und Schiedsgerichts mit Zweidrittelmehrheit. Die Entscheidung dieses Gremiums ist unanfechtbar.“ Leicht ist die Auswahl nie. Nach Walter Linden erhalten im Laufe der Jahre bis heute weitere 71 Personen den Ring. Zahlreiche klangvolle Namen finden sich in der Auflis- tung: Hans Scherenberg, Fritz Nallinger, Willy Weyer, Fritz Fiala, Siegfried Steiger, Max Danner, Max Mosley sind auch in der Öffentlichkeit noch heute bekannt. Mit Werner Dol- linger reiht sich 1986 sogar ein amtierender Bundes-Ver- kehrsminister in die Ahnengalerie ein. Andere sind nicht so öffentlichkeitswirksam, sie genießen mehr in Experten- kreisen höchste Anerkennung. Freilich bleibt manchem durchaus würdigen Aspiranten die Auszeichnung letztlich verwehrt. Meist, weil es zu „seiner Zeit“ eben noch einen präsenteren Kandidaten gibt. Häufig gibt es einen Ringträger, der für ein ganzes Team oder eine Organisation steht. So können sich im Glanz des Dieselrings insgeheim auch jene sonnen, die nicht selbst zum ebenfalls bei der Neufassung der Statuten festge- schriebenen „Gremium der Dieselringträger“ zählen. Die- ses Gremium trifft sich übrigens seit 1974 auf Initiative des damaligen HUK-Verbands (heute GDV) zu einem Jahresge- spräch, in dem sie interdisziplinär ihre Erfahrungen austau- schen. 20 Jahre lang findet man sich in unterfränkischen Miltenberg ein, weshalb die Veranstaltung, bei der auch die Gattinnen der Dieselring-Träger mit einem „Damenpro- gramm“ bespaßt werden, von den meisten Teilnehmern als „Miltenberger-Gespräche“ apostrophiert werden. Bis heute ist das so, obwohl die Runde ab 1994 in Limburg und ab 2003 in Fulda zusammenkommt. Seither finden die Gesprä- che nebst Beiprogramm an wechselnden Orten statt. Der Preis – nimm Zwei Von den vielen Experten, die im Laufe der Jahrzehnte den Ring erhalten, seien an dieser Stelle einige genannt, die einen Sonderstatus haben. Ohne die Verdienste eines einzelnen Preisträgers zu schmälern geht es nun um die, die nicht allein auf der Bühne stehen. Denn mit- unter müssen sich zwei, einmal sogar drei Ausgezeich- nete Ring und Ehre teilen. 62 Motorjournalist Edition 2019

So geschehen erstmals im Jahr 1962, als Ernst Meyer, Rechtsanwalt Ernst Jacobi und der in New York ansässige Attorney-at-Law Ernst C. Stiefel für ihr gemeinsames Werk „Typische Unfallursachen im deutschen Straßenverkehr / Verkehrsgefährdungen im amerikanischen Straf- und Strafprozessrecht“ geehrt werden. Die dreibändige Arbeit bleibt über zwei Jahrzehnte ein Standardwerk der Ver- kehrssicherheitsarbeit. Der Markenkern des Diesel-Rings, die Hebung der Ver- kehrssicherheit, findet angesichts stetig steigender Unfall- und Verkehrsopferzahlen mehr und mehr Beach- tung. Kein Wunder, dass in der Unfallforschung ebenso wie bei den Automobilherstellern sich immer mehr Fach- leute des Themas annehmen und sich in ihrem Bestre- ben auch über Firmen oder Organisationsgrenzen hin- weg zusammentun. Das wird beispielsweise 1965 deutlich, als Bruno Wehner und Wilhelm Leutzbach zusammen den Preis entgegen- nehmen. Ihr Thema für den Festvortrag „Bessere Ver- kehrsführung, bessere Verkehrstechnik – Voraussetzung für höhere Sicherheit im Straßenverkehr“ illustriert bes- tens, womit sie sich den Ring verdient haben. 1973 gibt es erneut zwei Preisträger: Karl Luff formulierte Grundlagen zur Erkennung menschlichen Fehlverhaltens im Straßenverkehr, die in der Rechtsprechung ihren Niederschlag finden. Und mit dem Architekten Siegfried Steiger zeichnet der VdM einen Mann aus, den ein Schick- salsschlag zum leidenschaftlichen Kämpfer für mehr Ver- kehrssicherheit gemacht hat. Nach dem Unfalltod seines Sohnes hat er die „Björn-Steiger-Stiftung” ins Leben ge rufen, die sich für die Installation von Notrufsäulen an Bundesstraßen einsetzt. Als Felix Mottl, Präsident der Deutschen Verkehrswacht und Hans-J. Schwepcke, Präsident des HUK-Verbands 1979 im Rampenlicht der Dieselring-Verleihung stehen, sind zwei mit demselben Anliegen die Preisträger. Sie erhalten die Würdigung für ihre gemeinsame Gründer und Förde- rung des „Kinder-Verkehrs-Clubs”. Auch andere Maßnah- men zur Verbesserung der Sicherheit von Kindern im Stra- ßenverkehr lassen sich ihnen zuschreiben. Ein weiteres Duo folgt 1987 mit Dr. Berndt Gramberg- Danielsen und Dr. Erwin Hartmann. Der damalige VdM- Vorsitzende Helmuth Bernecker begründet in seiner Laudatio: „Der eine, Professor für Verkehrs-Ophthal- mologie 2, der andere, Professor für Biophysik, haben sich seit zwei Jahrzehnten der Erforschung der medi- zinischen und optischen Probleme verschrieben, die beim Führen von Kraftfahrzeugen auftreten und in der Verkehrsunfall-Ursachenforschung in gravierendem 2 Augenheilkunde Entwicklerpaar: Müller und van Zanten FOTO: VDM-ARCHIV Maße als unfallauslösende Faktoren erkannt worden sind.“ Berneckers Fazit: „Dieser Leistung gebührt Dank und Anerkennung, denn beide haben sich um die Ver- besserung der Verkehrssicherheit in hohem Maße ver- dient gemacht.“ Gleiches lässt sich auch vom Preisträger-Paar des Jahres 1992 sagen. Wolfgang Lincke (Volkswagen) und Friedrich W. Lohr (Opel) haben in Ihrer jeweiligen Führungsposi- tion die Entwicklung von Fahrzeugen mit konstruktiven Sicherheitselementen nachhaltig gefördert. Erstmals setzen sie dieses Prinzip konsequent auch in der Kom- paktklasse ein. Den (bislang) letzten Split gibt es bei der Verleihung der Dieselrings im Jahr 2000. Da teilten sich Armin Müller, damals bei der DaimlerChrysler AG, und Anton Th. van Zanten von der Robert Bosch GmbH Ruhm und Ehre. Beide hatten sich intensiv mit Grundsatzuntersuchun- gen zur Fahrdynamikregelung (FDR) beschäftigt und sind gemeinsam maßgeblich an der Entwicklung des Elektronischen Stabilitäts-Programms (ESP) bis zur Serien einführung beteiligt. Die Geschichte des Goldenen Dieselrings des VdM ist auch eine Geschichte der Entwicklung der Verkehrs- sicherheit – nicht nur in der „Bundesrepublik und West- Berlin“ wie es 1953 noch heißt. Auch internationale Experten können sich mit dem Ring zieren sowie – in Zeiten der Gleichstellungsdebatte nicht unwichtig – auch drei Frauen. Wer meint, das seien zu wenige Vertre- terinnen des weiblichen Geschlechts: Vorschläge, für die Dieselring-Trägerin des Jahres 2020 und folgende, sind immer willkommen. /// fps Motorjournalist Edition 2019 63

FOTO: IAN GEORG STROHBÜCKER Im Laufe der Zeit Der Verband der Motorjournalisten hat sich seit seiner Gründung gewandelt. Doch die Idee bleibt: Einsatz für die Belange der Motorjournalisten. Wir schreiben das Jahr 1952: Die Bundesre- publik ist gerademal drei Jahre alt, und der Bestand an zugelassenen Pkw hat die Mil- lionenmarke noch nicht erreicht. Da macht sich eine Handvoll Personen mit der damals seltsamen Berufsbezeichnung „Motorjour- nalist“ daran, eine eigene Interessenorgani- sation zu etablieren. Deren Beginn liegt teil- weise im Dunkeln, denn viele Unterlagen aus der Gründungsphase des VdM sind im Laufe der Jahre verloren gegangen. Rekon- struieren lässt sich aber folgendes: Am 2. Oktober 1952 findet eine „Arbeitssitzung zur Gründung der „VEREINIGUNG DEUT- SCHER MOTORJOURNALISTEN“ in den Club- räumen des AvD in Berlin statt. Von den geladenen zehn Personen erscheinen neun. Bei diesem Treffen findet wohl ein Sinnes- wandel statt, denn 14 Tage später, am 16. Oktober 1952, trifft sich die Gruppe wieder und gründet den „VERBAND DER MOTOR- JOURNALISTEN e. V.“. Weshalb es nun „Ver- band“ statt „Vereinigung“ heißt und warum die nationale Einschränkung entfällt, ist nicht überliefert, doch die Ziele sind definiert. In Paragraph 1 der von den Gründungsmitglie- dern unterschriebenen Satzung steht: „Der Verband ist ein Zusammenschluss als berufs- ständische Interessenvertretung… und soll sämtliche Journalisten aus Tages- und Fach- presse, alle sonstigen Berichterstatter und auch die Freischaffenden, die sich in ihrer Tätigkeit vornehmlich mit diesem Sonder- gebiet befassen, vereinen.“ An diesem Grundsatz hat sich bis heute wenig geändert. Allerdings stoßen zu der jun- gen Truppe bald auch Kollegen „von der anderen Seite des Schreibtischs“ – sprich Pressestellen-Mitarbeiter, PR-Leute und Mes- severtreter. Der Grundgedanke jedoch bleibt: Die journalistischen Belange und Rechte aller Motorjournalisten zu wahren. Dazu zählt natürlich auch der stete Kampf um gerechte Bezahlung. Und wenn man auf das finanzielle Gebaren von Verlagshäusern und Industrie- Pressestellen auch wenig Einfluss hat; im eigenen Beritt lässt sich ein wenig finanzielle Gerechtigkeit schaffen: Die Beiträge sind – einkommensabhängig – gestaffelt. Wer weni- ger als 300 DM im Monat verdient, hat einen Jahresbeitrag von 12 Mark zu entrichten. Bis 64 Motorjournalist Edition 2019

600 DM Einkommen sind es 18 Mark und „Großverdiener“ mit über 600 DM Monats- lohn berappen 24 Mark im Jahr. Fürsorglicher Gedanke Die finanziell angespannte Situation vieler Berufskollegen findet auch anderswo ihren Niederschlag. Schon 1965 wird die rechtlich unabhängigen Fürsorgeeinrichtung (FE) geschaffen. Sie finanziert sich vorrangig aus einem zehnprozentigen Anteil der Mitglieds- beiträge sowie aus Spenden und unterstützt Motorjournalisten und deren Angehörige, wenn sie in Not geraten sind – unbürokratisch und direkt. Einmalige Zuwendungen sind dabei ebenso möglich wie regelmäßige Unterstützung über einen gewissen Zeit- raum. Die FE gewährt in bestimmten Fällen auch zinslose Darlehen, fördert Berufsanfän- ger und hilft bei Verlust oder beim Wechsel des Arbeitsplatzes. Allerdings besteht kein Rechtsanspruch auf Unterstützung, denn die Fürsorgeeinrichtung ist keine Versicherung. Das Thema Versi- cherung ist jedoch auch für VdM-Mit- glieder relevant. Zwar wurde die Sterbegeldkasse aus rechtlichen Gründen aufgege- ben und eine direkte Krankenversicherung über den VdM ist aus eben diesen Gründen auch nicht mehr möglich, doch geblieben ist seit vielen Jahren ein vergünstigter Gruppen- tarifvertrag bei der DKV (Deutsche Kranken- versicherung AG). Zahlreiche Mitglieder nut- zen ihn für sich und ihre Familie. Geänderte Mitgliederstruktur Natürlich wandelt sich im Laufe der Jahr- zehnte die Struktur der VdM-Mitglieder stetig und passt sich den Zeitläuften an. Medien- schaffende von Funk und Fernsehen sowie freie Fotografen erfordert neue Denk- und Handlungspositionen. Ebenso ist es heutzu- tage ein Verbandsanliegen, die stetig wach- sende Zahl der Internet-Journalisten, Blogger oder YouTube-Akteure zu integrieren und die klassischen Printjournalisten mit der neuen Medienwelt zu verlinken. Das bringt die Auf- gabe mit sich, ein möglichst faires Miteinan- der der von unterschiedlichen (finanziellen) Interessen geprägten Akteure zu organisieren. Klares Leitbild Externe Aktivitäten Auch in natio- n a l e n u n d internationa- len Organisati- onen ist der VdM seit Anbe- ginn aktiv. Er g e h ö r t b e i - spielsweise zu den Gründungsmitgliedern des DVR (Deutscher Verkehrssicherheitsrat). Seine Mitgliedschaft dort nutzt er, um in zahlreichen DVR-Gremien mitzuwirken. So sind VdM-Vorstandsmitglieder derzeit im DVR-Ausschuss „Junge Kraftfahrer“ sowie in den Ausschüssen „Verkehrstechnik“ und „Verkehrsmedizin“ vertreten. Auf europäischer Ebene hat der VdM im März 2010 die European Road Safety Charta gezeichnet – übrigens zeitgleich Fortsetzung ››› mit dem ADAC. Dank dieser Wandlungsfähigkeit entwickelt sich der VdM zur heute europaweit größten berufsständischen Organisation für Motor- und Mobilitätsjournalisten aller Medien und im Kommunikationsbereich Beschäftigten der Automobil- und Zulieferindustrie. Er vertritt dabei seine fast 450 Mitglieder im Sinne des Kodex des Deutschen Presserates und seines eigenen Leitbilds. Dort heißt es: „Motorjourna- lismus hat ein hohes Maß an Verantwortung, denn er soll eine Säule für eine qualifizierte Meinungs- und Willensbildung der Bevölke- rung sein. Deshalb verpflichten sich die Mit- glieder des VdM zur Einhaltung dieser Regeln: ››› Sie arbeiten und veröffentlichen ihre Beiträge auf der Grundlage von Fakten. Sie lassen Pro und Contra zu Wort kommen und kennzeichnen eigene Meinungsbeiträge. ››› Sie sorgen für Glaubwürdigkeit und Ver- ständlichkeit durch handwerklich kor- rekte Arbeit und sprachliche Exaktheit. ››› Sie trennen aktuell Wichtiges von Nebensächlichem und sor- gen so für Klarheit, Aufrichtig- keit und Nachvollziehbarkeit. ››› Sie sind frei von politischer und/oder wirtschaftlicher Einflussnahme. ››› Sie trennen eindeutig und unmissverständlich ihre journalis tische Arbeit von eventueller Tätigkeit für industrielle Auftraggeber oder andere Organisationen. Erste Entwürfe für das VdM-Logo Motorjournalist Edition 2019 65

FOTOS: IAN GEORG STROHBÜCKER Ausgezeichnet: Ehrennadeln für Mitglieder – Preise für Sicherheitsexperten und Journalisten Die Europäische Charta für die Straßenver- kehrssicherheit, unter Leitung der Europäi- schen Kommission, ist die größte Plattform der Zivilgesellschaft zur Straßenverkehrs sicherheit. Bis heute haben sich mehr als 3.800 öffentliche und private Einrichtungen der Charta ver- pflichtet und Aktionen und Initiativen durch- geführt, die sich an ihre Mitglieder, Mitarbeiter und die übrige Zivil gesellschaft richteten. Preiswürdiges Verhalten Besonderes Augenmerk richtet der Verband von Anfang an auf die Förderung der Verkehrs- sicherheit. Schon 1955 wird deshalb die Verlei- hung des Goldenen Dieselrings erstmalig durchgeführt (siehe dazu auch S. 60). Mit die- ser Auszeichnung werden Persönlichkeiten bedacht, die sich um die Hebung der Verkehrs- sicherheit besonders verdient gemacht haben. Techniker, Verkehrsplaner, Unfallforscher, Poli- tiker und Mediziner zählen zu den Preisträ- gern. In der Fachwelt genießt der „Dieselring“, inzwischen 73-mal vergeben, hohes Ansehen. Auch erfolgreiche Fachjournalisten zeichnet der VdM aus. Hierbei steht im Vordergrund, ob sich die Kollegen „besondere Verdienste um den Motorjournalismus“ erworben haben. Als Anerkennung dafür gibt es seit 1959 die „Johny-Rozendaal-Uhr“. Der Name geht zurück auf John Rozendaal; Holländer, VdM- Ehrenmitglied und einer der ersten Motor- journalisten und Protagonist der Aussöhnung zwischen Deutschen und Niederländern nach dem Zweiten Weltkrieg. Eine Verbandszuge- hörigkeit ist und war keine Bedingung, um den renommierten Preis zu erlangen und die goldene Uhr ein Jahr lang zu besitzen. Nebenbei: Auch „normale“ VdM-Mitglieder erhalten Auszeichnungen. Für eine 25-, 40- oder gar 50-jährige Verbandszugehörigkeit gibt es entsprechende Ehrennadeln. Übersichtlicher Aufbau Der bundesweit agierende VdM wird von einem vierköpfigen Vorstand geführt. Geo- grafisch ist er in sechs Regionalkreise unter- teilt (Nord, West, Süd, Südwest, Rhein/Main und Berlin-Brandenburg (für die neuen Bun- desländer)). Die regionale Aufgliederung ermöglicht es, dass sich die Mitglieder auch unterjährig auf kurzem Weg zum Gedanken- austauch, den klassischen Benzingesprächen, Fachvorträgen oder Firmenbesichtigungen verabreden können. In der Regel monatliche Stammtische bilden dafür die Basis. Die alljährlich abgehaltene Jahrestagung fin- det an wechselnden Orten Deutschlands statt. Die obligatorische, formelle Mitglieder- versammlung ist dabei eingebettet in einen FOTO: WERNER EISELE Rahmen aus fachlichem Kongress (siehe Seite 8) und dem Galaabend anlässlich der Verleihung des „Goldenen Dieselrings.“ Weitere Informationen Wenn Sie mehr über den VdM und seine Arbeit wissen wollen, gehen Sie ins Internet: www.motorjournalist.de. Das Anmelde- formular zur Mitgliedschaft finden sie hier: www.motorjournalist.de/wp-content/ uploads/2018/05/VdM_ Aufnahmeantrag_2018.pdf. Falls Sie die Fürsorgeeinrichtung des VdM mit einer Spende unterstützen wollen: Die Bank- verbindung lautet: IBAN: DE14 3705 0299 0325 5518 52, BIC: COKSDE33. Als „mildtätig“ vom Finanzamt eingestuft, kann die FE eine Spendenquittung ausstellen. /// fps VdM-Geschäftsstelle Franz-Peter Strohbücker Geschäftsführender Vorsitzender Am Sonnenweg 54, 70619 Stuttgart Telefon: 0711 45998294 fps@motorjournalist.de www.motorjournalist.de 66 Motorjournalist Edition 2019

Im Seitenspiegel Weißt du noch? Die Liebe zum Oldtimer wirkt oft wie ein multiresistentes Virus: Begeisterung, Hingabe, Selberschrauben. Was aber, wenn in Zukunft Robo-Cars zum Oldie werden? FOTO: PRIVAT lich auch Künstliche Intelligenz auf menschliche Art älter? Unsereiner agiert ja mit zunehmenden Jahren bedächtiger, schont wo möglich seine Mechanik und wird altersmild. Im besten Fall alterweise. Das hieße dann nämlich, dass auch KI-Oldies vorsichtiger durch den Verkehr steuern, nachts vielleicht nicht mehr so gut sehen können wie tagsüber und möglicherweise inkon- tinent werden. Sowas muss man den Leuten rechtzeitig sagen, finde ich. Womöglich wird es in Zukunft auch für sehr schwach gewordene KI-Oldtimer so eine Art Gnadenhof geben. Wie für greise Nutztiere. Oder man lässt Mensch und Maschine, die vielleicht lange Jahre ziemlich beste Freunde waren, sogar gemeinsam alt werden. Dann wären beide nicht so einsam im Alter. Ist doch eine herzerwärmend schöne Vorstellung: Da sit- zen die beiden Oldtimer, der Autofahrer und seine KI, vor dem Pflegeheim auf der Bank, genießen die Abend- sonne und erzählen sich die immer gleichen Geschich- ten von früher. Und wie immer reden sie aneinander vorbei. /// Eberhard Buhl Ich gebe zu: Als älteres Semester habe ich so manches Fahrzeug besessen, das heute als begehrter Oldtimer gehandelt wird. Damals war es einfach eine alte Möhre und wurde gar nicht richtig geschätzt. Dabei sind gerade Autos der Fünfziger- und Sechziger- jahre oft klug durchdachte Maschinen: Die Karossen aus stabilem Stahl geformt, die Motoren schwächlich, aber unverwüstlich, und die Mechanik geradezu steinzeitlich robust. Bei diesen fahrbaren Untersätzen braucht man selbst im Falle des Falles nur selten die Hilfe eines Gelben Engels, da reichen unterwegs schon einfachste Bord- mittel. Etwa Blumendraht als Ersatz für den verlorenen Splint, Textilband für den gerissenen Kühlschlauch oder eine Fettpresse gegen hässliche Geräusche aller Art. Und der Kenner stellt seinen britischen Doppelvergaser ein- fach nach Gehör ein. Das lernt man zu schätzen. Die Zeiten ändern sich, und zwar rasant. Schon heutige Autos sind bis zur Dachfinne vollgestopft mit Computer- technik – und ich fürchte, für künftige Oldtimer-Freunde dürfte Selberschrauben keine Option mehr sein. Und was wird wohl erst, wenn in ein paar Jahrzehnten autonom fahrende Robo-Cars mit Dutzenden Umfeldsensoren und Kameraaugen, geleitet von lernenden Systemen mit Künstlicher Intelligenz, das Oldie-Alter erreichen? Nun heißt es ja, Künstliche Intelligenz könne sich geradezu menschenähnlich weiterentwickeln. Hört sich toll an. Womöglich entwickeln die Autogehirne bis dahin sogar die Fähigkeit zur Selbstreparatur und erledigen die Sache mit den ölverschmierten Fingern einfach selbst. Seit 2007 das Schwermetall-Spektakel „Transformers“ durch die Kinos dröhnte, kann man schließlich alles für möglich halten. Freilich versteht schon jetzt kaum jemand, wie so eine KI wirklich tickt. Weil natürliche und künstliche Intelligenzen verschiedene Sprachen sprechen und – bei aller Menschen- ähnlichkeit – gewissermaßen aneinander vorbei reden. Dabei müssten bis in 30 Jahren noch so viele drängende Fragen beantwortet werden. Zum Beispiel: Wird womög- FOTO: DOMINIK SCYTHE | UNSPLASH Motorjournalist Edition 2019 67