››› Das sichere und geschützte Aktuali- sieren von Fahrzeugsoftware, inklusive einer rechtlichen Grundlage für Over-the-Air-Updates Die EU will diese Regelung ab Juli nächsten Jahres für neue Fahrzeugtypen verbindlich machen, ab 2024 auch auf ältere Fahrzeuge ausweiten. Der VDA betont hier, dass das Thema Cybersicherheit bei seinen Mitglieds- unternehmen sehr hohe Priorität genieße. Bei all den Daten fragt sich der Verbraucher schon, was passiert eigentlich damit und wel- chen Einfluss habe ich auf die Verarbeitung. Kurzum: Wem gehören eigentlich meine Daten. Der ADAC hat vor einiger Zeit untersucht, welche Daten, die im Sinne des Verbraucher- schutzes auffallen, in einem Fahrzeug gesam- melt werden. Unter die Lupe wurden eine Mercedes B-Klasse mit dem System me-con- nect und ein Renault Zoe genommen. Für den Laien liest sich das erstaunlich: Bei der Mercedes B-Klasse (W246, 2011-2018) mit „me connect” fielen folgende Daten auf: ››› etwa alle zwei Minuten werden die GPS- Position des Fahrzeugs sowie Statusdaten an das Mercedes-Backend übertragen (zum Beispiel Kilometerstand, Verbrauch, Tankfüllung, Reifendruck und Füllstände von Kühlmittel, Wischwasser oder Brems- flüssigkeit) ››› Zahl der elektromotorischen Gurtstraf- fungen wird gespeichert, etwa aufgrund starken Bremsens (erlaubt Rückschlüsse auf den Fahrstil) ››› Fehlerspeicher-Einträge werden teilweise mit Informationen über zu hohe Motor- drehzahl oder -temperatur abgelegt (erlaubt Rückschlüsse auf den Fahrstil) ››› gefahrene Kilometer auf Autobahnen, Landstraßen und in der Stadt („highway- conditions”, „road-conditions” und „urban- conditions”) werden getrennt gespei- chert (erlaubt Rückschlüsse auf das Nutzungsprofil) ››› Betriebsstunden der Fahrzeugbeleuch- tung werden gespeichert ››› die letzten 100 Lade- und Entladezyklen der Starterbatterie werden mit Uhrzeit und Datum sowie Kilometerstand gespeichert, woraus sich Fahr- und Standzeiten ergeben Beim Renault Zoe (erste Modellreihe 2012) wurden folgende auffällige Daten gefunden: 52 Motorjournalist Edition 2021 ››› das Aufladen der Antriebsbatterie kann von Renault via Mobilfunkverbindung jederzeit unterbunden werden (etwa auf- grund nicht bezahlter Leasing-Rechnung für die Antriebs-Batterie) ››› Renault kann beliebige Informationen vom CAN-Datenbus des Fahrzeugs via Mobilfunkverbindung mitlesen. Diese Ferndiagnose ist standardmäßig ausge- schaltet, kann aber vom Hersteller jeder- zeit aktiviert werden ››› bei jeder Fahrt, spätestens jedoch alle 30 Minuten, wird ein Datenpaket an Renault gesendet, das mindestens enthält: VIN, diverse Seriennummern, Datum, Uhrzeit, GPS-Position, Temperatur, Ladung und Zellspannung der Hochvolt-Antriebsbatte- rie; diese Informationen können von Ren- ault auch jederzeit angefordert werden ››› neben den fest einprogrammierten Funk- tionen der Kommunikation zwischen dem Renault-Server und dem Renault Zoe können diese Funktionen via Mobilfunk- verbindung beliebig erweitert werden Der ADAC betont in diesem Zusammenhang, dass die Ergebnisse wegen des hochexperi- mentellen Charakters qualitativ zu bewerten sind und nicht direkt miteinander verglichen oder gar zu Rankings umgerechnet werden können. Einige Daten seien, laut Hersteller, auch erst nach Aktivierung durch den Fahrer übertragen worden. Die Aufstellung zeigt: Otto Normalverbrau- cher ist sich sicherlich selten darüber im Kla- ren, was er alles preisgibt. Die Daten gehören dem Fahrer Wir haben deshalb einmal beim VDA, bei der Sachverständigenorganisation Dekra und dem GDV Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft nachgefragt, wem welche Daten eigentlich gehören. Unisono kam die Antwort: Personenbezogene Daten gehören dem Kunden, dem Verbraucher. Allerdings schränkt der VDA ein: Über Daten, „die Produkteigenschaften beschreiben“, bestimmt der Fahrzeughersteller und stellt diese gegebenenfalls zur Verfügung. Für den GDV ist klar: „Zum einen gehören die Daten nicht den Herstellern, sondern in die Hände der Verbraucher.“ Sie müssten frei entschei- den, wem sie ihre Daten überlassen. Als Pra- xisbeispiel wird hier der Telematik-Tarif der Versicherer erwähnt, bei dem der Nutzer dem Versicherer seine Fahrdaten zur Verfü- gung stellt, um einen besseren Versiche- rungstarif zu erhalten. Für die Datensicher- heit habe sich die Versicherungswirtschaft Verhaltensregeln für den Umgang mit perso- nenbezogenen Daten auferlegt. Mit der Trusted German Insurance Cloud sei eine erste Lösung entwickelt worden, die vom Bundesamt für Sicherheit in der Informa- tionstechnologie zertifiziert wurde. Zum anderen, so der GDV, „muss eine Über- mittlung für alle Anbieter, für Hersteller, Werkstätten, Automobilclubs und Versicherer technisch problemlos möglich sein”. In diesen Überlegungen spielt natürlich die Schadens- regulierung eine wichtige Rolle. So müsse nach einem Unfall weiterhin feststellbar sein, wer oder was den Unfall verursacht hat. Gra- vierender als heute wird die Frage zukünftig sein, wenn vermehrt automatisiert gefahren wird: Liegt der Fehler beim Fahrer, beim Her- steller, IT-Dienstleister, Mobilfunkanbieter und so weiter? Für die Versicherer ist klar: Allen Betroffenen muss der Zugang zu den Daten nach einem Unfall möglich sein. Auch für Dekra ist es selbstverständlich, dass der Fahrzeughalter beziehungsweise -nutzer die Hoheit über die Daten hat. Er sollte grundsätzlich immer selber entscheiden, welchem Akteur er Zugriff auf welche Daten erlaubt. Aber auch die Prüforganisation schränkt ein: „Eine Ausnahme bilden hoheit- liche Aufgaben, wie beispielsweise die Hauptuntersuchung. Hier kann der Zugriff auf die für die Prüfung relevanten Daten nicht an die Zustimmung des Fahrzeughal- ters geknüpft werden, sondern es muss klare gesetzliche Vorgaben geben.“ Dekra macht in diesem Zusammenhang auf Software- Updates „Over-the-Air“ aufmerksam, die es wohl zukünftig vermehrt geben wird. Da sich damit der aktuelle Fahrzeugzustand nur noch im Fahrzeug direkt erkennen lasse, fordert die Sachverständigenorganisation einen ungehinderten Zugang zu diesen Daten, um unter anderem die Fahrzeugprü- fung vornehmen zu können. Das Thema Datensicherheit und Datenweiter- gabe ist heikel. Es bedarf wohl noch einer ganzen Weile, bis die Unklarheiten beseitigt sind. Und weil die Anforderungen an die Ver- kehrsinfrastruktur, an Automobile als „Mobile Devices“ und alle damit zusammenhängen- den Dienstleistungen immer komplexer wer- den, haben sämtliche Stakeholder noch eine Menge Diskussionsbedarf. /// bic